Auszug aus einer griechischen Komödie

P.Schubart 22 II (P. 13932)

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Misumenos – „Der Mann, den sie hasste“ klingt fast wie ein Filmtitel. Es ist jedoch der Titel eines Werkes des griechischen Dichters Menander, von dem sich auf diesem Pergament ein kleiner Auszug aus einer Zeit erhalten hat, als es noch keine Filme gab.

Das Pergamentfragment wurde im oberägyptischen Luxor für die Berliner Papyrussammlung erworben, stammte vermutlich aber aus Hermupolis (heute Eschmunen) oder Panos Polis (heute Achmim) in Mittelägypten. Es ist beidseitig beschriftet und war Teil eines Kodex, des Vorläufers des heutigen Buches. Aufgrund der Schrift lässt es sich in das 4.–5. Jh. n. Chr. datieren. Damit wurde dieser Auszug mindestens 700 Jahre nach der Entstehung des Misumenos Menanders erstellt.

Der griechische Dichter Menander lebte von 342/341 bis 291/290 v. Chr. und war mit über 100 bekannten Stücken der bedeutendste Vertreter der so genannten Neuen Komödie. Diese Entwicklungsstufe der griechischen Komödie zeichnete sich weniger durch politische Themen und Anspielungen auf Personen wie in der so genannten Alten Komödie aus. Vielmehr widmete sie sich eher der realistischen Darstellung von Personentypen, entlarvte ihre Schwächen und legte die Grenzen ihrer guten Intentionen bloß. In der Regel gab es einen glücklichen Ausgang. So ist es auch im Misumenos.

In der Komödie Misumenos wird der Soldat Thrasonides porträtiert. Er kehrte aus siegreichen Kämpfen heim und brachte Krateia mit, die in diesem Krieg gefangen genommen und versklavt wurde. Nun verliebt er sich leidenschaftlich in sie. Krateia jedoch hasst ihn, weil sie fälschlicherweise glaubt, er habe ihren Bruder im Kampf getötet. Obwohl Thrasonides Krateia als ihr Herr in seiner Gewalt hat, macht er aus aufrichtiger Liebe heraus von seinem Besitzrecht keinen Gebrauch, sondern hofft vergebens auf Gegenliebe. Sein Sklave Getas nimmt die zentrale Rolle eines Vermittlers in dieser Situation ein.

Auf dem Berliner Pergament hat sich nun ein kleiner Auszug dieser Komödie erhalten. Die beiden Seiten des Pergaments enthalten Reste von insgesamt 26 Verse, die dem dritten Akt des Misumenos zugeordnet werden können. In den 13 fragmentarischen Versen der Vorderseite diskutieren Getas und die Magd der Krateia die Situation, wobei Getas Krateia tadelt und Thrasonides bedauert. Die Rückseite enthält 13 Verse ähnlichen Inhalts aus einem Monolog des Getas, der gerade aus einer Taverne zurückkehrt.

Der Misumenos gehörte in der Antike zu den populärsten Stücken Menanders und wurde auch im griechisch-römischen Ägypten immer wieder gelesen und exzerpiert. Das zeigt sich unter anderem daran, dass sich aus dieser Region immerhin 15 Fragmente dieses Werkes auf Papyrus und Pergament erhalten haben. Damit zählt der Misumenos zu den im antiken Ägypten am besten belegten Komödien Menanders überhaupt.

Doch das Berliner Pergament wartet mit einer weiteren Besonderheit auf. Es lässt sich nämlich einem Kodex zuordnen, von dem ein weiteres Fragment (PSI II 126) heute in Florenz aufbewahrt wird. Es enthält allerdings keine Verse aus dem Misumenos. Die Zuordnung zu demselben Kodex erfolgte vielmehr über die Schrift. Das Berliner und das Florentiner Fragment wurden nämlich von derselben Person geschrieben. Auf dem Florentiner Pergament stehen nun einige zum Teil sogar vollständige Verse aus einer weiteren Komödie Menanders: Aspis (Der Schild). Der Kodex, zu dem diese beiden Fragmente gehörten, enthielt also Auszüge aus mindesten zwei verschiedenen Werken Menanders und ist somit als Anthologie (Sammlung) zu bezeichnen. Ob in dieser Anthologie auch Auszüge aus anderen Komödien Menanders bzw. von anderen Dichtern enthalten waren, kann nicht mehr festgestellt werden, da bisher nur diese beiden Fragmente bekannt sind. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich in einer anderen Sammlung weltweit oder vielleicht sogar in der Berliner Papyrussammlung ein weiteres Pergament befindet, das diesem Kodex zugeordnet werden kann.

Dieser Auszug aus einer griechischen Komödie war in der Sonderausstellung „Achmim – Ägyptens vergessene Stadt“ zu sehen.

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