Haushaltsbuch des Soknopaios-Heiligtums

BGU I 1 + 337 = Chrest.Wilck. 92 = P.Louvre I 4 Kol. I-II (P. 6826 + 7412)

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Wer sich heute über die Mühen einer Buchführung ärgert, kann beruhigt sein, denn in der Antike musste auch schon detailliert über Einnahmen und Ausgaben Buch geführt werden. Über die verschiedenen Steuerzahlungen und Ausgaben klärt unter anderem das hier vorgestellte, sehr seltene Fragment eines Haushaltsbuchs eines Tempels auf. Hier wurden zuerst die Ausgaben in Geld und anschließend die in Naturalien aufgeführt und alles haargenau in Drachmen oder Weizen angegeben. Das Verzeichnis der Einnahmen, das dieser Liste voranging, hat sich leider nicht mehr erhalten. Das Dokument stammt aus der Zeit vor 166 n. Chr. und ist in Griechisch verfasst.

Der Papyrus stammt aus Soknopaiu Nesos, gehörte später zur Privatsammlung des Ägyptologen Heinrich Brugsch und kam 1891 in die Berliner Papyrussammlung. Der Ort Soknopaiu Nesos, dessen Name „Insel des (Gottes) Soknopaios“ – des Hauptgottes dieses Orts – bedeutet, liegt in der Faijum-Oase und ist heute unter dem Namen Dime bekannt. Gelegen in der Nähe des Qarun-Sees war er der Fundort vieler demotischer und griechischer Papyri. Zum ersten Mal erwähnt wird der Ort 240 v.Chr., doch wahrscheinlich gab es den Ort schon davor. Nach der Blütezeit des Ortes im 1. und 2. Jh. n. Chr. versiegen die Quellen im 3. Jh. n. Chr., die aus dem Ort stammen oder auf ihn verweisen. Seit dem Beginn des 20. Jh. finden dort regelmäßig Ausgrabungen statt, seit 2001 läuft dort das Soknopaiu-Nesos-Projekt der Universität Salento (Lecce).

Der vorliegende Papyrus enthält das Haushaltsbuch des Soknopaios-Heiligtums in Soknopaiu Nesos. Zu diesem Haushaltsbuch gehören weitere Fragmente, die sich heute im Louvre in Paris befinden und den Text fortsetzen. Der erhaltene Text auf dem Berliner Papyrus besteht aus zwei Kolumnen. Die ersten 42 Zeilen befassen sich mit Ausgaben in Geld, die folgenden Zeilen listen Ausgaben in Naturalien (Weizen) auf.

Unter den Geldausgaben fallen die besonders hohen Beträge für den Vorsteher der Priester und die ‚Altäre‘ der Göttin Isis in den Erscheinungsformen Nepherses und Nephremmis in Neilupolis am Ostende des Qarun-Sees auf, die in beiden Fällen an die Finanzverwaltung abzuführen waren. Bei den ‚Altären‘ handelt es sich wahrscheinlich um kleine Heiligtümer. Es folgen verschiedene steuerliche Abgaben an andere Finanzressorts, z.B. für die Pökler, Gemüsehändler und Wäscher. Am Ende dieses Abschnitts sind die Ausgaben für Duftsalben und die Bekleidung der Götterfiguren besonders interessant, die an drei bestimmten Tagen des Jahres bekleidet und geschminkt wurden. Zum Schluss werden die Ausgaben in Geld summiert und die verbleibenden Einnahmen errechnet.

Der zweite Abschnitt befasst sich mit den Ausgaben in Weizen. Diese Weizenauszahlungen stellten Aufwandsentschädigungen der Priester für besondere Dienste dar, z.B. während bestimmter Feste, die hier einzeln aufgelistet werden. Am Beginn dieser zweiten Liste bricht der Berliner Papyrus ab. Die Fragmente im Louvre in Paris setzen mit vielen weiteren religiösen Festen fort.

Aufgrund dieses überlieferten Haushaltsbuchs aus dem Soknopaios-Heiligtum erhalten wir einen detaillierten Einblick in den religiösen Festkalender, aber auch in die vor allem von staatlicher Seite geforderten Abgaben, die hier minutiös dokumentiert sind.

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