Reden des Kaisers Claudius

BGU II 611 (P. 8507)

Scan

Einem Kaiser bei der Arbeit über die Schulter schauen: Auf diesem Papyrus ist eine Abschrift von zwei Senatsreden des römischen Kaisers Claudius zu Reformen des Gerichtswesens erhalten. Claudius, der am 1. August 10 v.Chr. in Lugdunum (dem heutigen Lyon) geboren wurde, regierte vom 24. Januar 41 n.Chr. bis zu seinem Tod am 13. Oktober 54 n.Chr. als vierter Kaiser das Römische Reich. Sein relativ hohes Alter zum Zeitpunkt seines Regierungsantritts erklärt sich daraus, dass er von fast allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen war und aufgrund physischer Gebrechen in der Nachfolge nicht berücksichtigt wurde. So berichten es die antiken Quellen und verschweigen, dass er ein hochgebildeter Mensch war und sich während seiner Regierungszeit schließlich als fähiger Verwalter und Lenker des Staates mit einem besonderen Interesse für die Rechtsprechung zeigte. In diesen Kontext sind die beiden fragmentarisch erhaltenen Senatsreden auf diesem Papyrus zu setzen und zu verstehen.

Dabei ist der Papyrus in vieler Hinsicht etwas sehr Besonderes. Zunächst gehört dieser Text zu den seltenen lateinischen Texten, die in Ägypten gefunden worden. Zwar erwartet man von einem römischen Kaiser, dass er seine Reden vor dem Senat auf Latein gehalten hat. Doch war Latein nicht in allen Provinzen des Römischen Reiches auch die Verwaltungssprache. In Ägypten wurde in der Verwaltung zumeist Griechisch gesprochen und geschrieben. Und so ist auch die Mehrheit der erhaltenen Texte aus dem römischen Ägypten in griechischer Sprache verfasst. Latein dagegen ist überaus selten. Darüber hinaus haben sich Senatsreden römischer Kaiser auf den Papyri Ägyptens sehr selten erhalten. Das wundert auch nicht, da in diesen Reden zumeist Angelegenheiten besprochen wurden, die die Provinz Ägypten höchstens indirekt betroffen haben. All das zeigt, wie wertvoll dieser Papyrus ist.

Der Papyrus ist nicht vollständig erhalten. Von einigen größeren und kleineren Fehlstellen abgesehen fehlen vor allem der Anfang und das Ende. So sind zwar Reste von drei Kolumnen erhalten, aber von der ersten Kolumne fehlen die Zeilenanfänge und von der dritten Kolumne die Zeilenenden. Deutlich zu erkennen ist das Ende der ersten Rede in Zeile 7 der ersten Kolumne. Die zweite Rede schließt sich direkt an und ist auch am Ende des erhaltenen Papyrus noch nicht beendet. Zwischen den einzelnen Worten des lateinischen Textes sind Punkte als Trennzeichen gesetzt worden. Der Papyrus wurde wiederverwendet. Auf der Rückseite hat sich eine Rechnung über Deicharbeiten in griechischer Sprache erhalten.

In der ersten Rede, deren Ende in den ersten sieben Zeilen erhalten ist, diskutiert der Kaiser die Herabsetzung des Mindestalters für Richter auf 24 Jahre. Davon nimmt er allerdings ausdrücklich ein Kollegium von Richtern in Prozessen wegen Freiheit und Sklaverei aus. Für sie soll auch weiterhin das Mindestalter von 25 Jahren gelten. Er begründet dies damit, dass solche Richter ein Alter erreicht haben sollen, in dem sie auch in ihren privaten Angelegenheiten für solche Fragen voll verantwortlich und rechtsmündig sind.

Sehr viel mehr hat sich von der zweiten Rede erhalten. In ihr behandelt der Kaiser das Übel der Prozessverschleppung. Die Schuld sieht der Kaiser nicht nur bei den Anklägern, sondern auch bei den Richtern, denen er mit einer Kürzung der Ferien droht, wenn sie den Prozess in der vorgeschriebenen Zeit nicht zu Ende bringen. Den Anklägern droht der Kaiser mit der Abweisung der Anklage, wenn sie zu den Gerichtsterminen ohne Entschuldigung nicht erscheinen sollten.

Schließlich fordert er im letzten Abschnitt die Senatoren auf, seinen soeben genannten Vorschlägen nur dann zuzustimmen, wenn sie tatsächlich einverstanden sind. Sind sie das nicht, so sollen sie Gegenvorschläge machen, unter sich diskutieren oder sich Zeit nehmen, um in Ruhe über das Gesagte nachzudenken.

Die Bedeutung dieser Reden liegt in ihrem Inhalt. Sie geben einen einmaligen Einblick in das römische Gerichtswesen und die diesbezüglichen Vorstellung des römischen Kaisers Claudius und sind somit von großer historischer Wichtigkeit.

Dieser Beitrag wurde unter Stück des Monats abgelegt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Bitte hinterlassen Sie uns eine Nachricht:

* erforderlich

*