Verordnung über die Versorgung Alexandrias

BGU VIII 1730 (P. 13802)

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Dieser einseitig beschriebene Papyrus enthält eine königliche Verordnung, in der die Versorgung Alexandrias mit Weizen und Hülsenfrüchten geregelt wird. Auffällig dabei sind vor allem die hohen Strafen, die demjenigen drohen, der gegen diese Anordnung verstößt.

Der auf diesem Papyrus erhaltene Text besteht aus zwei Teilen. Das ist zunächst die königliche Verordnung. Etwas nach rechts eingerückt steht darunter ein Bearbeitungsvermerk, der von einer anderen Person geschrieben wurde. Beide Textteile wurden durch waagerechte Striche, sogenannten Paragraphoi, unter der jeweils letzten Zeile als abgeschlossen markiert, damit keine weiteren Zeilen hinzugefügt werden konnten. Unter beiden Textteilen steht zudem jeweils ein separates Datum: der 23. Phaophi bzw. der 5. Hathyr eines 3. Regierungsjahres. Doch bleibt die Datierung des Textes trotz dieser taggenauen Angaben unsicher. Ein 3. Regierungsjahr ist nicht selten. Aufgrund der Handschrift lässt sich der Text zwar in das 1. Jahrhundert vor Christus und damit an das Ende der ptolemäischen Herrschaft in Ägypten einordnen. Zudem wird er durch eine für solche Verordnungen typische Formel eingeleitet. In unserem Text ist es die Formulierung „Anordnung des Königs und der Königin“, die es uns erlaubt, die vorhandenen Datumsangaben auf zwei Möglichkeiten eingrenzen: 3. November 79 v.Chr. bzw. 27. Oktober 50 v.Chr. und 15. November 79 v.Chr. bzw. 8. November 50 v.Chr. Eine Entscheidung zwischen diesen beiden Möglichkeiten ist leider nicht möglich, da weitere Hinweise im Text selbst nicht vorhanden sind.

Die königliche Anordnung selbst ist sehr knapp gehalten und beginnt mit der Regel, die zu befolgen ist. Darin wird festgehalten, dass es niemand gestattet ist, Weizen oder Hülsenfrüchte aus den Gauen oberhalb von Memphis (d.h. Mittelägypten) nach Unterägypten oder in die Thebais (d.h. Oberägypten) zu bringen, sondern alles ausschließlich nach Alexandria, der Hauptstadt Ägyptens, zu bringen. Wer diese Anordnung nicht befolgt, soll mit dem Tod bestraft werden. Das Ziel dieser Verordnung ist ganz klar: die Getreideversorgung Alexandrias soll sichergestellt werden. Die drastische Strafe für einen Verstoß gegen diese Verordnung macht es wahrscheinlich, dass sie durch eine akute Notlage veranlasst worden ist. Aus anderen Texten wissen wir beispielsweise, dass es im 1. Jahrhundert vor Christus gelegentlich zu Problemen bei der Getreideversorgung gekommen ist, weil die Ernten durch eine ausbleibende oder ungenügende Nilflut sehr schlecht waren. Allerdings war die Versorgung der einwohnerreichen Hauptstadt Alexandria mit Getreide und Hülsenfrüchten sicherlich nicht einfach und mag zudem jedem Herrscher ein besonderes Anliegen gewesen sein, da die Einwohner zu Aufständen neigten.

Bestätigt wird dieser Eindruck einer Notlage, die die Herrscher zu dieser Verordnung veranlasst haben mag, auch durch ihren zweiten, ebenso langen Teil, in dem die hohen Belohnungen für Denunzianten festgelegt werden. So soll derjenige, der Anzeige gegen jemanden erstattet, der gegen die Regeln dieser Verordnung handelt, ein Drittel des Vermögens dieser Person bekommen. Sollte der Anzeigende ein Sklave sein, so sollen ihm ein Sechstel des Vermögens und die Freiheit zustehen. Wir kennen zwar bisher keinen Sklaven, der aufgrund einer solchen Denunziation freigelassen wurde, doch mag das an den Lücken in unserer Überlieferung liegen. Die explizite Regelung für Sklaven erscheint aber sehr sinnvoll, da gerade sie einen sehr viel tieferen Einblick in die Geschäfte ihrer Herren haben konnten als jeder andere. Eine solche Belohnung mag einen hohen Anreiz zu Denunziation geboten haben.

Im abgesetzten und nach rechts eingerückten Bearbeitungsvermerk aus dem Büro des Bezirkschreibers Horos wird erklärt, dass eine Kopie dieser Verordnung ausgehängt wurde, und zwar gegenüber einer vorher ausgehängten Verordnung, über die allerdings keine weiteren Einzelheiten bekannt sind. Das separate Datum des Bearbeitungsvermerks zeigt uns auch, dass diese Verordnung ca. 2 Wochen benötigte, um in einem Dorf im Herakleopolites, einem Bezirk in Mittelägypten, ausgehängt zu werden. Der vorliegende Papyrus dagegen wurde offenbar mit diesem Bearbeitungsvermerk an die nächsthöhere Behörde zurückgeschickt, wo er ursprünglich angefertigt wurde.

Ein weiteres Zeichen der behördlichen Bearbeitung dieses Textes ist ganz schwach in der unteren Hälfte der Verordnung zu erkennen, wo sich Reste eines roten Stempelabdrucks befinden, dessen Einzelheiten allerdings nicht mehr auszumachen sind. Solche Stempelungen lassen sich auch auf anderen Papyri dieser Zeit finden und enthalten in der Regel ein Datum und die Bezeichnung der jeweiligen Behörde. Ähnliche Informationen der bearbeitenden Behörde sind also auch hier zu erwarten.

Dass es sich bei dem vorliegenden Text um eine Kopie dieser königlichen Verordnung handelt, ergibt sich zum Teil schon aus den genannten Details. Zudem ist die Handschrift für eine Kanzleischrift einer Zentralbehörde in Alexandria nicht elegant genug. Außerdem handelt es sich bei diesem Papyrus um einen Palimpsest, d.h. der schon beschriebene Papyrus ist wiederverwendet worden. Reste der ursprünglichen Beschriftung kann man im unteren Teil der Verordnung zwischen den Zeilen und insbesondere unter der letzten Zeile erkennen.

Gefunden wurde der Text in Mumienkartonage aus dem mittelägyptischen Abusir el-Melek, zu der der Papyrus später verarbeitet wurde. Die Schriftspuren, die auf der Rückseite, dem Verso, zu sehen sind, könnten Abdrücke von anderen Texten sein, deren Schrift sich bei der Verarbeitung der Papyri zu Kartonage teilweise vom Untergrund gelöst und mit dieser Papyrusschicht verbunden hat.

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