BGU I 16 (P. 6889)
Lange Haare, wollene Gewänder? So durfte ein Priester im römerzeitlichen Ägypten nicht herumlaufen. Dieser Papyrus berichtet uns von der Anklage eines Pasis gegen den Priester Panephremmis. Doch erfahren wir über den geschilderten Konfliktfall hinaus ebenfalls von Vorschriften und Geboten innerhalb des ägyptischen Kultes als auch von der Kontrolle dieser durch offizielle Verwaltungsinstanzen.
Der Papyrus entstammt der Privatsammlung des Ägyptologen Heinrich Brugsch, welche 1891 in die Berliner Papyrussammlung kam. Er wurde im Faijum, einer Großoase südwestlich von Kairo, gefunden. Die 15 erhaltenen Zeilen sind in Griechisch verfasst. Da das 23. Regierungsjahr des römischen Kaisers Antoninus Pius genannt wird, kann der Text in den Zeitraum zwischen dem 30. August 159 n. Chr. und dem 28. August 160 n. Chr. datiert werden.
Es handelt sich um eine eidliche Erklärung der fünf namentlich genannten Ältesten des Priesterkollegiums des Tempels des Gottes Soknopaios in Soknopaiu Nesos am Nordrand des Faijum. Sie ist an zwei hohe römische Beamte: den Strategen Hierax und den Königlichen Schreiber Teimagenes. Von der Erklärung selbst hat sich leider nichts erhalten, da der Papyrus unten abgebrochen ist. Im oberen erhaltenen Teil ist jedoch der Eid überliefert. Zudem erfahren wir etwas über den Inhalt der Anklage und einige Aspekte des Verfahrens bis zu diesem Schriftstück. Die Anklage betrifft einen Priester des Tempels des Soknopaios namens Panephremmis, dem von einem gewissen Pasis beim Idios Logos vorgeworfen wurde sein Kopfhaar unrasiert sowie wollene Gewänder zu tragen.
Der Habitus der Priester unterstand einer strengen Kontrolle seitens der Verwaltungsbehörden. Dies zeigen Berichte von Dorfbehörden an ihre vorgesetzten Beamten, in welchen sie nicht nur bei besonderen Vorfällen wie in diesem Fall, sondern routinemäßig Bericht über das Verhalten der Priester ablegen mussten. Es entsteht der Eindruck, dass die Bußen über den eigentlichen Zweck der Bewahrung und Ordnung des religiösen Kults hinaus ebenfalls dem politischen Zweck dienten, die Priesterschaft unter Kontrolle zu halten.
Über den Ankläger Pasis erfahren wir nur, dass sein Vater Neilos hieß. Ob er auch zur Priesterschaft des Tempels gehörte oder ein staatlicher Beamter war, bleibt unbekannt. Seine Anklage beim Idios Logos sorgte aber immerhin auch für diesen Text. Der Idios Logos war ein Sonderkonto für spezielle Einnahmen des Staates und in der römischen Zeit auch ein administratives Amt. Neben Fragen des Erb- und Personenstandrechts war der Idios Logos auch für die Vergabe von Priesterstellen und die Überwachung der oftmals althergebrachten religiösen Vorschriften und Reinheitsgebote der Priester zuständig. Fehltritte wurden mit Bußgeldern geahndet. Die hier überlieferten Anschuldigungen gegen den Priester Panephremmis waren mit einem sehr hohen Bußgeld von 1000 Drachmen belegt.
Nachdem der Stratege Hierax und der königliche Schreiber Teimagenes ein Dossier des Idios Logos und einen Untersuchungsauftrag erhalten hatten, beauftragten sie die fünf Ältesten des Tempels von Soknopaiu Nesos der Sache nachzugehen und diese eidesstattliche Erklärung abzugeben. Aufgrund des fragmentarischen Erhaltungszustandes des Papyrus kennen wir den Inhalt dieser Erklärung nicht. Ebenso unbekannt bleibt uns das Ergebnis der angeordneten Untersuchung und deren Verlauf und Ende.