Eingabe an einen Klosterabt

BGU I 103 (P. 6876)

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Dieser Papyrus stammt aus der ehemaligen Privatsammlung von Heinrich Brugsch und gelangte 1891 in das Ägyptische Museum und Papyrussammlung. Gefunden wurde er vermutlich im Faijûm, der großen Oase westlich des Nils in Ägypten. Der in griechischer Sprache verfasste Text lässt sich aufgrund der Paläographie in das 6. bis 7. Jahrhundert nach Christus datieren.

Es handelt sich um die briefliche Eingabe des Verwalters Abraam an den Klosterabt (Archimandrit) Serenos wegen eines Streits zwischen den Brüdern des verstorbenen Henoch und dessen Frau um Besitz. Dabei soll Serenos entscheiden, ob er sich um diese Erbschaftsangelegenheit kümmert oder sie an den Abraam zur Entscheidung delegiert. Abraam ist als Verwalter in dem Gut Pinarachthis im Distrikt Oxyrhynchites tätig, das dem Kloster des Serenos unterstand. Nach anderen Quellen gehörte zu diesem Gut auch eine Poststation.

Aus der kurzen Zusammenfassung der zur Entscheidung vorgelegten Angelegenheit ergibt sich folgendes Bild: Nach dem Tod des Henoch entstand ein Streit um seinen Nachlass zwischen seiner Frau und seinen zwei Brüdern. Letztere schrieben an Abraam und baten um eine Entscheidung zu ihren Gunsten. Dieser sollte als Schiedsrichter fungieren, war allerdings nicht befugt, ohne Erlaubnis des Klosterabts eine Urteil zu fällen. So schreibt Abraam im vorliegenden Dokument an den Klosterabt und bittet diesen um eine Regelung dieser Angelegenheit. Er soll bestimmen, ob er „nach Gewohnheit des Gutes“ eine Entscheidung und eine Versöhnung in der Stadt zwischen den beiden Parteien herbeiführen möchte, oder ob Abraam diese Aufgabe übernehmen soll. Dieser Papyrus gibt einen wunderbaren Einblick in die damalige Gerichtsbarkeit der Kirche und in das Verwaltungswesen.

Neben dem Inhalt des Textes sind an diesem Papyrus allerdings auch zwei weitere Aspekte interessant: Der Papyrus ist transversa charta beschrieben. Das bedeutet, dass der Papyrus um 90° gedreht wurde, bevor man ihn beschrieb. Die Schrift auf der Vorderseite verläuft also quer zu den Fasern, die senkrecht liegen, und nicht parallel zu den Fasern, wie es ansonsten üblich war. Dass es sich aber trotzdem um die Vorderseite des Dokuments handelt, erkennt man daran, dass die Klebung der zwei einzelnen Blätter dieses Papyrus ebenfalls waagerecht verläuft und damit parallel zur Schrift liegt. Außerdem wurde der Papyrus mehrfach gefaltet, dann mit der Adresse versehen, die nun auf der außen liegenden Rückseite steht und verschnürt. Damit man diese Verschnürung nicht heimlich öffnen könnte, wurde sie mit einem kreisförmigen Zeichen mit Rauten versiegelt, dessen Reste man auf der Rückseite noch erkennen kann.

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