Opferbescheinigung

SB I 5943 (P. 13430)

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Bei diesem Papyrus handelt es sich um einen vollständig erhaltenen Libellus, eine Bescheinigung über die Durchführung von Opfern an die Götter. Er stammt aus Theadelpheia, welches im Faijûm liegt, und ist in das Jahr 250 n. Chr. datiert. Der Text umfasst 22 Zeilen in griechischer Sprache und befindet sich auf dem Rekto des schmalen, einseitig beschriebenen Papyrus. In der Papyrussammlung in Hamburg liegt ein Duplikat dieses Libellus.

Sowohl durch die Datierung als auch durch den Inhalt können wir den Papyrus der Gruppe der Libelli zuordnen, die während der sogenannten Decianischen Christenverfolgung ausgestellt wurden. Diese war ein Resultat der Verabschiedung des Opferedikts des Kaisers Decius. Die Benennung des Libellus als „Opferbescheinigung“ oder „certificate of sacrifice“ ist leicht irreführend, da es sich nicht um ein Dokument handelt, welches vom Staat nach der Erfüllung eines vorgeschriebenen Akts ausgestellt wurde, sondern eher um das Gesuch eines Opfernden, der um die Bestätigung der Durchführung eines öffentlich vollzogenen Opfers bittet. Es handelt sich demnach weniger um eine Bescheinigung, als vielmehr um eine durch Unterschrift bestätigte Petition.

In unserem Text wird zuerst die Opferkommission („τοῖς ἐπὶ τῶν θυσιῶν ᾑρημένοις“, „An die für die Opfer Gewählten“) genannt, an die der Papyrus adressiert ist. Anschließend erfahren wir den Namen der Opfernden, Aurelia Charis, und ihre Herkunft, Theadelpheia. In den folgenden Zeilen beteuert Aurelia Charis, schon immer der Pflicht des Opferns nachgekommen zu sein („ἀεὶ μὲν θύουσα“) und auch jetzt wieder ein Opfer erbracht zu haben. Obwohl diese Zeilen in der ersten Person geschrieben sind, ist davon auszugehen, dass sie sie nicht selbst verfasst hat, sondern der Libellus durch einen professionellen Schreiber ausgestellt wurde.

In der Formulierung „διατετέλεκα καὶ νῦν ἐπὶ παρόντων ὑμῶν κατὰ τὰ προσταχθέντα ἔσπισα καὶ ἔθυσα καὶ τῶν ἱερείων ἐγευσάμην“ befinden sich mehrere Informationen, die uns Aufschluss über die Umstände des Opfers liefern. Es wurde in Gegenwart der Kommission und auf den Erlass eines Edikts (das Opferedikt des Kaisers Decius) hin erbracht. Außerdem handelte es sich nicht nur um ein Trank-, sondern auch um ein Schlachtopfer, von dem die Opfernde am Ende etwas zu sich nahm. Anschließend erbittet Aurelia Charis die Bestätigung dieses Opfers durch die Unterschrift der Kommission. Diese Bestätigung erfolgt durch die zwei Mitglieder der Opferkommission – Aurelius Serenus und Aurelius Hermas. Am unteren Ende des Papyrus folgt weiterhin die Datierung durch den Schreiber des Haupttextes in das „Jahr 1 des Imperator Caesar Gaius Messius Quintus Traianus Decius Pius Felix Augustus, Pauni 22“, was nach unserer Zeitrechnung dem 16. Juni 250 n. Chr. entspricht.

Da die Städte und Dörfer selbst dafür zuständig waren, eine Opferkommission aufzustellen, variiert die Anzahl der Mitglieder der Opferkommissionen der verschiedenen Orte. Diese Vertreter bekleideten öffentliche Ämter oder hatten eine priesterliche Funktion inne und sollten im Rahmen der Kommission dafür sorgen, dass die angeordneten Opfer auf lokaler Ebene durchgeführt wurden.

Der Text des eigentlichen Edikts ist uns nicht erhalten, so dass wir bei der Rekonstruktion des Inhalts auf die spärlichen christlichen Quellen, die jedoch aufgrund ihrer antirömischen Tendenz eher vorsichtig betrachtet werden sollten, und die papyrologischen Zeugnisse, angewiesen sind. Die Informationen, die als recht sicher angesehen werden können, sind uns vor allem durch die Papyri bekannt und besagen, dass in Anwesenheit von Vertretern der Opferkommission sowohl ein Trank- als auch ein Schlachtopfer erbracht werden musste, von dem der oder die Opfernde im Anschluss kostete.

Obwohl das Opferedikt sowohl von antiken als auch von modernen christlichen Autoren oft als gezieltes Vorgehen gegen Christen gesehen wurde, ist es wohl eher in eine Reihe von Aufrufen zu Bitt- oder Dankopfern einzuordnen, die in der Kaiserzeit in Zusammenhang mit Siegen und günstigen Ereignissen für den Staat angeordnet wurden. Der Bezug des Edikts auf eine bestimmte Personengruppe ist nicht nachweisbar. Dass der Erlass des Ediktes von der christlichen Bevölkerung dennoch als Angriff auf ihre Gemeinschaft angesehen wurde, liegt nicht an dem Inhalt des Edikts selbst, sondern an den Folgen, die es für die Christen mit sich brachte. Opferverweigerern drohten stets Konsequenzen und Christen wählten unterschiedliche Lösungen. Einige erbrachten das geforderte Opfer trotz ihrer religiösen Überzeugung, einige ließen Stellvertreter für sie opfern, manche flohen und hofften, so dem Opferzwang zu entgehen und die wenigsten stellten sich direkt vor die Opferkommission und verweigerten die Opferhandlung.

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