Mathematische Merktafel

SB III 6219 (P. 10506)

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Kopfrechnen ist schwer. Spickzettel sind daher beliebt. Eine andere Möglichkeit, um mathematische Berechnungen nicht immer wieder neu durchführen zu müssen, sind Tafeln mit Auflistungen von Multiplikationen und Divisionen, in denen man immer wieder nachschauen kann. Eine solche Merktafel liegt vermutlich mit der hier beschriebenen Holztafel vor.

Diese aus dem 7. Jh. n. Chr. stammende Holztafel wurde 1904 von Otto Rubensohn für die Berliner Papyrussammlung erworben und enthält in griechischer Sprache auf der Vorderseite (Rekto) in sechs Kolumnen eine Liste von Divisionen und auf der Rückseite (Verso) in zwei Kolumnen einige Multiplikationsaufgaben und eine Addition. Auffällig sind zwei Löcher, die sich am oberen Rand in der Mitte befinden. Diese dienten vermutlich dazu, weitere Holztafeln mit dieser Tafel zu verbinden. Vielleicht konnte die Tafel aber auch aufgehängt werden. Die Löcher in der Mitte der Holztafel enthalten noch Reste der ursprünglichen Fäden, die hier wohl die in zwei Teile zerbrochene Tafel zusammenhalten sollten.

In den mathematischen Aufgaben auf beiden Seiten der Tafel werden griechischen Ziffern benutzt, die sich von unseren heutigen Ziffern unterscheiden. Für die griechischen Ziffern wurden die Buchstaben des Alphabets benutzt, also α = 1, β = 2, γ = 3 etc. Für einige Ziffern gab es besondere Symbole, die nicht im Alphabet vorkamen, wie z.B. das Stigma (ϛ) für die 6. Im Unterschied zu unserer heutigen Schreibweise von Ziffern gab es für die Zehner, Hunderter etc. separate Buchstaben, die nicht identisch mit den Einern waren. So wurde für die Zehner nicht der Einer und eine Null verwendet, die den Griechen noch gar nicht bekannt war, sondern ein Buchstabe des Alphabets, also ι = 10, κ = 20, λ = 30 etc. So weiß und wusste man direkt, das es sich um einen Zehner handelt. Für die Zahl 28 verwendete man daher die beiden griechischen Buchstaben κ und η mit einem imaginierten Plus dazwischen und schrieb sie als κη. Nach demselben Prinzip funktionierten die Hunderter etc.

Die Divisionen auf der Vorderseite sind als einfach bis mittelschwer einzustufen. Der Schreiber dieser Tafel hat in den ersten 5 Kolumnen jeweils die Hälften der Zahlen von 1 (1/2) bis 10.000 (5000) aufgelistet. Ab Kolumne IV fängt der Schreiber mit etwas Neuem an. Zwischen Zeile 6 und Zeile 7 befindet sich ein Trennstrich, der anzeigt, dass eine neue Liste begonnen wurde. Und zwar werden jetzt zwei Drittel der Zahlen 1 (2/3) bis 300 (200) aufgezählt. Auffällig an dieser Tafel sind die Titel, mit denen die Listen eingeleitet werden: „die Hälfte“ bei der ersten Liste und „zwei Drittel“ bei der zweiten. Die Rechnungen auf der Rückseite sind deutlich schwieriger. Als erstes rechnete der Schreiber einige Multiplikationen von größeren Zahlen, dann summierte er rechts daneben mehrere komplizierte Bruchzahlen.

Die Schrift ist sehr sauber und ordentlich und stammt höchstwahrscheinlich von einer Person mit einer geübteren Hand als der eines Kindes. Spekuliert wird, dass der Schreiber dieser Listen ein erfahrener Schüler im Alter von ca. 14 Jahren. Doch weiß niemand, wessen Tafel diese einmal gewesen ist. Insgesamt ist die Schrift zu ordentlich für eine reine Schulaufgabe. Vermutlich handelte es sich bei dieser Tafel um eine Art Merktafel, um schnell die Ergebnisse der beschriebenen Divisionen, Multiplikationen und der Addition nachschlagen zu können. Zudem war Holz in Ägypten selten und daher teuer und als Schriftträger nur schwer wiederverwendbar.

Holztafeln wie diese findet man leider nicht sehr oft. Die meisten schulischen Aufgaben, die die Berliner Papyrussammlung besitzt, sind Auszüge aus Ilias von Homer und andere berühmte literarische Werke und weise Sprüche. Mathematische Aufgaben sind dagegen selten.

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