BGU III 982 (P. 9791)
Esel erfüllten vor 2000 Jahren viele Aufgaben, die heute von Autos, Motorräder, Lieferwagen etc. erfüllt werden. Und heute wie damals hat man damit gehandelt. So wundert es nicht, dass sich Dokumente erhalten haben, die einen solchen Besitzerwechsel bescheinigen. Der hier vorgestellte Papyrus ist ein solches Beispiel.
Das kleine Papyrusblatt wurde in Dimê im Faijûm, einer Großoase südwestlich von Kairo, gefunden und gelangt über die Privatsammlung Reinhardt 1896 in die Berliner Papyrussammlung. Dimê ist die archäologische Fundstätte des antiken Soknopaiu Nesos, einem Ort mit einem wichtigen Heiligtum nördlich des Moerissees im Faijûm. Dieser Ort wird auch im griechischen Text auf diesem Papyrus erwähnt, so dass seine Herkunft als sicher gelten kann.
Der Text stammt aus der Römischen Zeit. Die enthaltene Datumsformel des römische Kaisers Trajan verweist auf das Jahr 107 n.Chr. Das Tagesdatum ist aufgrund des Materialverlustes in Zeile 5 nicht mehr lesbar. Der genannte und in wenigen Resten noch lesbare Monatsname Epeiph entspricht aber dem Zeitraum von Ende Juni bis Ende Juli. Der Text lässt sich also in den frühen Sommer des Jahres 107 n.Chr. datieren.
In dem Text wird bescheinigt, dass ein Pekysios, Sohn des Stotoetis, aus dem genannten Ort Soknopaiu Nesos von einem Posidonios, Sohn des Posidonios, eine Eselin mit weißer Brust gekauft und den vereinbarten Kaufpreis bezahlt hat. Über die genannten Personen wissen wir außer den genannten Angaben in diesem Text nichts. Die Namen des Käufers und seines Vaters sind allerdings sehr typisch für den Ort Soknopaiu Nesos und hätte auch ohne die explizite Nennung des Ortes eine Zuordnung erlaubt.
Die Beschreibung des Tieres dient der genaueren Identifizierung des Kaufobjekts und wird in dem Kaufvertrag, der dieser Bescheinigung vorausging, sicherlich noch ausführlicher gewesen sein. In anderen Kaufverträgen über Esel werden neben dem Geschlecht des Tieres und seiner Farbe auch noch weitere äußerliche Besonderheiten und sein Alter angegeben. Letzteres war auch wichtig für die Festsetzung des Kaufpreises.
Die Transaktion fand nicht direkt zwischen den beiden Vertragspartnern statt. Sie wurde durch eine Bank vermittelt, die im Text dieser Bescheinigung auch genannt wird. Es handelt sich um die Bank eines ansonsten ebenfalls unbekanntes Heras, Sohn des Akusilaos. Über dies Bank erfahren wir, dass sie sich in Lykion befand. Dabei handelt es sich um einen Stadtteil von Ptolemais Euergetis, der Hauptstadt des Arsinoites, wie das Faijûm in der Antike genannt wurde.
Die genaue Summe, die in diesem Text für die Eselin bezahlt wurde, ist nicht mehr erhalten, da der Papyrus unten abgebrochen ist. Bei vergleichbaren Verkäufen von Eselinnen in jener Zeit wurden Preise von 100 bis 150 Drachmen bezahlt. Der Erwerb eines Esels bedeutete also eine erhebliche Investition im römischen Ägypten.
Bei diesem Text handelt sich also um eine Quittung für den Verkauf dieses Tieres. Doch geben die ersten beiden Worte der ersten Zeile noch einen genaueren Hinweis auf die Art dieses Textes. Dort steht, dass es sich um eine Abschrift einer Quittung handelt. Diese wurde offenbar für Verwaltungszwecke angefertigt und archiviert. Die Buchstaben dieser beiden Worte sind etwas größer geschrieben worden als der Rest des Textes, so dass beide Worte wie eine Überschrift für diesen Text wirken.
Neben diesen interessanten Einblicken in die Einzelheiten eines Tierhandels vor 2000 Jahren bietet der Text ein weiteres Detail über die Menschen der damaligen Zeit. Wir wissen zwar nicht, wer diesen Text geschrieben hat. Doch schrieb diese Person manche Wörter anders als die meisten Zeitgenossen. Am deutlichsten wird das am Ortsnahmen Soknopaiu Nesos, in dem anstelle des „o“ immer ein „e“ geschrieben wurde. Es ist naheliegend, dass der Schreiber und sicherlich auch viele seiner Zeitgenossen diesen Namen offenbar so ausgesprochen haben, dass eine Verwechslung von „o“ und „e“ möglich wurde. Gelegentlich schrieb man eben, wie man sprach.