Bewirtschaftungsauftrag

O.Wilck. 1224 (P. 321)

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Ägyptens Reichtum beruhte auf den jährlichen Überschwemmungen des Nil und seinem fruchtbaren Uferland; das Land galt daher als Kornkammer der Antike. Die alten Ägypter besaßen auch exzellente Bewässerungssysteme, wodurch sich ihr Wohlstand noch mehrte. Das folgende Fundstück gibt einen Einblick in die wirtschaftliche Organisation des Getreideanbaus.

Es handelt sich um eine beschriftete Tonscherbe, ein Ostrakon. Ostraka ermöglichen uns einen besseren Einblick in das Alltagsleben der in der Antike lebenden Bevölkerung. Sie dienten als eine Art „antikes Schmierpapier“ für Notizen, Schulaufgaben, Abrechnungen, Quittungen und kurze Briefe aller Art.

Dieses Ostrakon wurde am 30. März 1859 durch den deutschen Ägyptologen Heinrich Brugsch in Theben durch einen Ankauf erworben. Brugsch gilt als einer der größten Ägyptologen des 19. Jahrhunderts.

Beschrieben ist es mit zehn griechischen Zeilen. Der Text lässt sich auf den 17. Oktober 695 n. Chr. datieren. Er wurde also in der Zeit nach der arabischen Eroberung Ägyptens geschrieben, die im Jahr 641 n. Chr. erfolgte. Dabei wird im Text kein eindeutig bestimmbares Datum genannt. Vielmehr wird er auf den 19. Phaophi der 9. Indiktion datiert. Der Phaophi ist ein ägyptischer Monatsname. Der 19. Phaophi entspricht dem 17. Oktober. Die 9. Indiktion lässt sich leider nicht so einfach in unser heute verwendetes Datierungssystem umrechnen. Bei der Indiktion handelte es sich um ein im 4. Jh. n. Chr. entstandenes Datierungssystem zur Zählung der Steuerjahre. Es hatte einen Zyklus von 15 Jahren und wurden einfach durchnummeriert. Im hier behandelten Text wird das 9. Jahr dieses Zyklus angegeben. Für die Menschen der damaligen Zeit war klar, in welchem Jahr sie lebten. Für uns heute ist die Umrechnung ohne weitere datierende Anhaltspunkte schwierig – es gab zu viele 9. Indiktionen. Doch liefert uns der Text einen Hinweis. Der im Text erwähnte Pekysios ist auch aus anderen Texten bekannt, die sich eindeutiger datieren lassen. Somit können wir auch das Indiktionsjahr zuweisen und den Text in das Jahr 695 datieren.

Über Pekysios erfahren wir, dass er protokometes (eine Art Dorfoberhaupt) in der Festung von Memnoneia auf der westlichen Nilseite gegenüber Theben war. In dem Text auf dem Ostrakon beauftragt er in dieser Funktion einen Josephios, gepachtetes Land zu bewirtschaften, obwohl es ausgetrocknet und mit Schilf bewachsen ist. Grundlage für die Fruchtbarkeit des alten Ägyptens und seinen Status als Kornkammer der Antike waren die jährlichen Überschwemmungen des Nils, die den nährstoffreichen Schlamm brachten, der dem Boden seine Fruchtbarkeit verlieh. Doch erreichten die Überschwemmungen nicht immer alle Äcker oder fielen zu gering aus. Um diesen unkalkulierbaren Risiken zu begegnen, errichtete man ein umfangreiches Bewässerungssystem mit Kanälen, Schöpfrädern u.ä. Auf solche Bewässerungsvorrichtungen wird auch in unserem Text verwiesen. Josephios soll das Ackerland mittels einer Bewässerungsapparat bewirtschaften, der einem Pouar gehört. Mit gebotener Vorsicht wird man daraus schließen können, dass die Familie dieser Person von einiger Wichtigkeit in dieser Gegend gewesen war. Pouar wird am Ende des Textes erneut erwähnt, und zwar als Vater eines Paulos. Dieser war offenbar vor Pekysios protokometes und hatte wohl mit Josephios eine ähnliche Vereinbarung zur Bewirtschaftung des Ackerlands getroffen, auf die hier lediglich verwiesen wird.

Wir erfahren leider nicht, welche Pflanzen Josephios auf diesem Ackerland angebaut hat. Vermutlich war es aber Getreide. Immerhin wird im Text aber auch auf den Pachtvertrag verwiesen, durch den Josephios überhaupt dieses Ackerland bewirtschaften konnte. Durch ihn hat er sich verpflichtet, ein Drittel der Erträge als Pachtgebühr zu entrichten. Das sind 1/6 Goldnomisma, eine in jener Zeit verwendete Währung.

Dieser Text gibt nicht nur einen Einblick in das Leben der einfachen Leute und die Verwaltungsstrukturen des alten Ägypten, er ist vor allem ein maßgeblicher Beweis dafür, dass selbst unter der arabischen Herrschaft andere Sprachen wie das Griechische selbst in wichtigen Verwaltungsinstitutionen genutzt wurden und somit weiterhin Bestand hatten.

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