Clevere Geschäfte?

BGU III 726 (P. 7788)

Scan

Wer zum richtigen Zeitpunkt kauf, konnte schon immer ein gutes Geschäft machen. Das ist heute so und war auch schon so vor 1500 Jahren. So scheint es auch bei einem Geschäft zu sein, in das uns der Text auf dem hier vorgestellte Papyrus einige Einblicke erlaubt.

Dieser Papyrus wurde von dem Afrikaforscher und Botaniker Georg Schweinfurth im Jahr 1886 während seines Surveys in den Ruinen der alten Arsinoiton Polis gefunden, wie das heutige Medinet el-Fayum in der Spätantike und byzantinischen Zeit hieß. Es war und ist der Hauptort des Faijûm, einer Großoase südwestlich von Kairo. Noch in demselben Jahr gab Schweinfurth dieses Papyrusfragment zusammen mit vielen anderen an die Berliner Papyrussammlung, wo es dann bald auch wissenschaftlich ausgewertet wurde.

Doch Schweinfurth Schweinfurth war nicht der einzige, der in jener Zeit Artefakte in diesen Ruinen auflas. So überrascht es dann auch nicht, dass in der Wiener Papyrussammlung ein Papyrus zu finden ist, der direkt an das Berliner Fragment anpasst. Über das Wiener Fragment ist lediglich bekannt, dass es in späten 1870er und frühen 1880er Jahren im Faijûm gefunden wurde. Eine Verbindung zu Georg Schweinfurth gibt es nicht. Doch lässt sich aus der Zusammengehörigkeit mit dem Berliner Fragment schlussfolgern, dass es ebenfalls aus den Ruinen von Arsinoiton Polis stammen muss.

Beide Fragmente zusammen enthalten den oberen und mittleren Teil einer Urkunde, in der ein Gelddarlehen vereinbart wird. Der untere Teil mit den Unterschriften der beiden Vertragsparteien dieses Darlehens und des Notars fehlen. Beide Fragmente lassen sich mit einem geringen Abstand aneinanderfügen, so dass sie sich in Zeile 12 des Textes überschneiden. Der Buchstabe Kappa des letzten Wortes in der ersten Zeile des Berliner Fragments hat sein oberstes Ende auf dem unteren Rand des Wiener Fragments. Au der Rückseite beider Fragmente sind besonders gut vertikale Linien zu erkennen. Sie zeigen, dass das Dokument drei Mal horizontal gefaltet war. Eine vertikale Faltung ist an den Stellen anzunehmen, an denen die Fragmente auseinandergebrochen waren.

Das Dokument wurde am 19. Oktober 481 n. Chr. angefertigt, wie aus der Datierungsformel in der ersten zwei Zeilen des Wiener Fragmentes hervorgeht. Hier wird neben der in byzantinischer Zeit üblichen Datierung nach Steuerjahren auch der Konsul des laufenden Jahres angegeben. Beides lässt sich in unseren heute verwendeten Kalender umrechnen.

In dieser Urkunde vereinbaren Aurelius Paomios aus dem Ort Philoxenu in der Herkleidu Meris im Osten des Faijûm und Aurelius Olympion aus Arsinoiton Polis, dass Paomios von Olympion Geld im Wert von einem Goldsolidus minus vier Keratia bekommt und ihm dafür nach sieben Monaten Flachs im Wert des geliehenen Geldes und Zinsen in Form von drei Artaben (etwa 90 kg oder eine Eselladung) Weizen zurückgeben soll. Die Rückzahlung soll im Monat Pauni am Ende der Erntezeit stattfinden. Aus dem Text geht außerdem hervor, dass beide Personen offenbar schon einmal eine ähnliche Vereinbarung in der Vergangenheit getroffen hatten. Vielleicht sind Paomios und Olympion sogar regelmäßige Geschäftspartner.

In diesem Geschäftsverhältnis, in dem der Verkauf von Naturalien und ein Geldarlehen kombiniert werden, profitierten offenbar beide Parteien. Dem Bauern diente das Geld wohl zum Lebensunterhalt, bis er nach dem Verkauf seiner landwirtschaftlichen Erzeugnisse wieder Einnahmen erzielen konnte. Für den Geldgeber war offenbar der Flachs von Interesse. Zudem schützte ihn eine Klausel des Vertrags gegen Inflation. Die Menge des Flachses sollte nämlich zu dem Preis errechnet werden, der zum Zeitpunkt der Rückzahlung für Flachs den aktuellen Marktpreis darstellte. Es ist anzunehmen, dass die Preise für Naturalien während der Ernte deutlich niedriger waren als ein halbes Jahr vorher oder später. Darüber hinaus sicherte sich Olympion frühzeitig das Produkt, dass er entweder selbst brauchte oder mit dem er weitere Geschäfte machen wollte. Schließlich konnte er bei der Rückzahlung eines Gelddarlehens in Naturalien deutlich höhere Zinsen verlangen, als wenn er das geliehene Geld als Geld zurückerhielt. Bekannt sind Zinsen von bis zu 50 %. Erst im 6. Jahrhundert wurden sie auf 12,5 % beschränkt. Bei einer Rückzahlung in Geld konnten lediglich 4 % verlangt werden. Offenbar ein gutes Geschäft.

Dieser Beitrag wurde unter Stück des Monats abgelegt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Bitte hinterlassen Sie uns eine Nachricht:

* erforderlich

*