Empfehlungsbrief

ChLA X 424 (P. 11649)

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Ein Großteil der uns bekannten Texte auf Papyrus wurde in Griechisch verfasst. Zu den selteneren Sprachen, in denen diese Texte verfasst wurden, zählt das Lateinische. Ein seltenes und schönes Beispiel ist dieser vollständig erhaltenen, lateinische Empfehlungsbrief aus der 2. Hälfte des 1. Jh. n.Chr.

Der Papyrus kam im Jahr 1913 in die Berliner Papyrussammlung. Er war vom damaligen Leiter der Sammlung Wilhelm Schubart im Faijum, der großen Oase südwestlich von Kairo, erworben worden. Der zwölfzeilige Text auf der Vorderseite ist in großer und deutlicher Handschrift verfasst. Am Rand auf der linken Seite sind neben der sechsten und siebten Zeile weitere Buchstaben sichtbar, möglicherweise eine Berichtigung oder Anmerkung. Auf der Rückseite lassen sich leichte Spuren der Anschrift erkennen. Im Text werden die einzelnen Wörter durch Punkte getrennt. Das ist für lateinische Texte üblich und lässt sich auch auf in Steininschriften beobachten. Außerdem sind über einigen Silben diagonale Striche zu erkennen. Das sind Akzente, die darauf hinweisen sollten, dass diese Silben lang oder betont sind.

In dem Brief schreibt Priscus an seinen Vater Petronius. Er bittet ihn, Carus, den Sohn des Aper, zu unterstützen, falls dieser Hilfe benötigen würde. Zum Abschluss wünscht er seinem Vater Gesundheit und überbringt Grüße. Wie bei den meisten Briefen aus dieser Zeit kennen wir die genannten Personen ansonsten überhaupt nicht. Die genaueren Hintergründe dieses Briefes lassen sich auch nur vermuten. Immerhin erfahren wir aber in dem Brief, dass Carus und sein Vater Aper den Rang eines duplicarius hatten. In der römischen Armee gehörten sie somit zu den unteren Offizieren. Sie bekamen den doppelten Sold eines einfachen Soldaten, wie die Bezeichnung „duplicarius“ verrät. Der Brief gehört also in einen militärischen Kontext. Es ist auch anzunehmen, dass Priscus und sein Petronius zum römischen Militär gehörten. Das war einer der wenigen Bereiche im römischen Ägypten, in denen in lateinischer Sprache kommuniziert wurde. Somit ist es auch sehr wahrscheinlich, dass die Grüße, die Priscus am Ende des Briefes an seinen Vater übermittelt, nicht von Familienmitglieder stammten bzw. an diese gerichtet waren, sondern von militärischen Kameraden. Es ist auch nicht allzu verwunderlich, dass wir in diesem Brief Vater und Sohn in militärischen Diensten sehen. Bei einer Dienstzeit von 20 bis 25 Jahre konnten beide gleichzeitig der römischen Armee angehören.

Solche Briefe in lateinischer Sprache sind sehr selten im römischen Ägypten. Auch in dieser Zeit wurde fast ausschließlich die griechische Sprache in der privaten und amtlichen Korrespondenz verwendet. Lateinisch wurde hauptsächlich beim Militär, dem Gerichtswesen oder bei der Ausstellung von förmlichen Urkunden durch den Staat verwendet. Bürger, die der lateinischen Sprache mächtig waren, verwendeten diese beim Kontakt mit dem kaiserlichen Statthalter. Auch im Bereich der Literatur sind römische Dichter und Schriftsteller in Ägypten nur wenig belegt. Der Kreis der Personen, die Latein verstanden, war zweifellos sehr gering.

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