Horoskop im ägyptischen Stil

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Wie sahen die Horoskope der alten Ägypter aus? Gab es Unterschiede zu den griechischen Horoskopen? Wie funktionierte ein solches Horoskop? Das demotische Ostrakon, das Otto Neugebauer und Richard A. Parker Ende der 1960er Jahre veröffentlichten, repräsentiert den typischsten Horoskop-Typus aus Ägypten, das sogenannte Grundhoroskop. Wie die meisten Texte dieser Art wurde es auf einem Scherben geschrieben, während die griechischen Gegenstücke typischerweise auf Papyrus verfasst wurden.

Ein Horoskop ist ein Text, der astronomische Daten enthält, die zur Vorhersage der Zukunft dienen. Ein einfaches Horoskop enthält nur die wesentlichen Informationen. In der Regel werden das Geburtsdatum und die Geburtszeit angegeben, nicht das Datum, an dem das Horoskop verfasst wurde. Diese Informationen finden sich in den ersten beiden Zeilen. Dem Text zufolge wurde die Person, für die das Horoskop erstellt wurde, in der fünften Nachtstunde zwischen dem 23. und 24. Phamenoth unter Kaiser Nero geboren. Der Text nennt ihn Nero Claudius Caesar. Das Datum entspricht dem 27. Februar 57 n. Chr., die Stunde deutet auf eine Geburt etwa eine Stunde vor Mitternacht hin. Der Text könnte theoretisch aber auch Jahrzehnte später verfasst worden sein, als die Person, die an diesem Datum geboren wurde, bereits verstorben war.

Hätte der Schreiber den nach der römischen Eroberung Ägyptens eingeführten alexandrinischen Kalender verwendet, so wäre der Geburtstag nach dem julianischen Kalender auf Mitte März zu datieren. Stattdessen vermerkte der Astrologe den Geburtstag gemäß dem traditionellen ägyptischen Wanderkalender, der keinen Schalttag kennt. Jedes Jahr hat 365 Tage, wodurch sich der Kalender alle vier Jahre um einen Tag verschiebt. Für einen Text in demotischer Schrift mag dies angemessen sein, doch auch die meisten antiken Astronomen der griechischsprachigen Welt verließen sich bei ihren Berechnungen auf den ägyptischen Kalender.

Nach dem Datum werden die Positionen der Planeten notiert. Idealerweise listet der Astrologe sieben Positionen auf: die leuchtenden Himmelskörper – Sonne und Mond – und die fünf in der Antike bekannten Planeten. Diese werden in der Regel nach Tierkreiszeichen geordnet aufgeführt, beginnend mit der Sonne, gefolgt von dem Mond und dann den fünf Planeten in der Reihenfolge ihrer wahrgenommenen Entfernung von der Erde: Saturn, Jupiter, Mars, Venus und Merkur, wobei der zuerst genannte Planet als der am weitesten entfernte gilt.

Oft wurden die Positionen jedoch nicht auf separaten Zeilen angegeben. Stattdessen gruppierte der Schreiber die Himmelskörper in einem Sternzeichen auf einer Zeile, um Tinte zu sparen, indem er den Namen des Sternzeichens nur einmal schrieb. In diesem Fall befanden sich die Sonne, der Mars, die Venus und der Merkur im Sternzeichen Fische, der Mond und der Saturn im Sternzeichen Stier und der Jupiter im Sternzeichen Zwillinge.

Diese Positionen wurden berechnet und nicht beobachtet. Für ein Horoskop wie dieses hat der Astrologe wahrscheinlich einen Text wie den Berliner Papyrus P 8279 konsultiert, einen Almanach mit Einträgen zu den Tierkreiszeichen, in dem die Daten der Planeteneintritte in die jeweiligen Tierkreiszeichen über mehrere Jahre aufgelistet sind. Mit einem solchen Werk konnte der Astrologe leicht ein Datum nachschlagen und es auf eine Scherbe, wie dem hier vorliegenden Ostrakon, notieren. Die Voraussagen wurden dann aus einem anderen Handbuch, einem astrologischen Leitfaden, abgeleitet. Ein Beispiel für einen solchen Text wurde hier beschrieben.

Allein die Planetenkonstellation reichte nicht aus. Der Astrologe musste auch das Tierkreiszeichen notieren, das zum Zeitpunkt der Geburt am Horizont aufging, den sogenannten Aszendent. Auf Griechisch wird dieser Punkt als „horoskopos“ bezeichnet, wovon sich der moderne Begriff „Horoskop“ ableitet. Der Aszendent war der wichtigste Bestandteil dieser Texte und das Genre wurde nach ihm benannt. Auf dem Ostrakon steht, dass der Aszendent im Skorpion stand.

Seine Bedeutung liegt darin, dass er als Ausgangspunkt für die Umwandlung astronomischer Daten in astrologisch relevante Faktoren wie Häuser und Lose diente. Wie diese Umwandlung stattfand, ist jedoch eine Geschichte für sich.

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