BGU VIII 1856 + 1857 (P. 13788+13789)
Ein Mann wird zerstückelt. Ein Esel und Geld werden gestohlen. Weitere Einzelheiten sind nicht bekannt. Wer hat diese schreckliche Tat begangen? Warum wurde der Mann getötet? Ging es um das Geld? Oder war es Neid auf den Besitz eines Esels? Über diesen Kriminalfall berichtet ein Papyrus aus der Berliner Papyrussammlung.
Der Papyrus stammt aus Papyruskartonage. Aus solcher Papyruskartonage wurden in der Antike Mumienmasken geformt und anschließend bemalt. Oftmals wurden zur Herstellung dieser Kartonage alte, schon beschriebene Papyri verwendet, deren Texte nicht mehr benötigt wurden. So auch die Masken, die in Abusir el-Melek geborgen wurden. Abusir el-Melek ist ein Dorf am Ostufer des Nils südlich von Kairo, in welchem zu Beginn des 20. Jahrhunderts systematische Ausgrabungen stattfanden, bei welchen auch sehr viel Mumienkartonage entdeckt wurde. Aus dieser Kartonage ließen sich die Papyri herauslösen, so dass die Texte wieder lesbar wurden. So auch das uns vorliegende Fragment.
Der Papyrus ist im oberen Teil gut erhalten und weißt nur im unteren Drittel größere fehlende Stellen auf. Am rechten Rand wurde ein weiterer Papyrus nachträglich angeklebt. Dieser steht jedoch ohne inhaltlichen Zusammenhang zum ersten Papyrus. Beide Papyri besitzen eine große und gut lesbare Schrift, wurden allerdings nicht von derselben Hand geschrieben. Am unteren rechten Rand des sich links befindenden Papyrus sind rote Spuren erkennbar. Diese Spuren, die nur noch an einigen Stellen erkennbar sind, sind einem Stempel zu verdanken, welcher vor über 2000 Jahren auf den Papyrus gedrückt wurde. Da es sich bei dem Text um eine Verwaltungsangelegenheit handelte, kann der Stempel die Bedeutung getragen haben, dass der Inhalt bearbeitet, geklärt und damit abgeschlossen ist. Der Papyrus war somit Teil eines Verwaltungsaktes.
Darauf verweist auch der nachträglich an der rechten Seite angeklebte zweite Papyrus. Dieses Aneinanderkleben einzelner Dokumente ist vergleichbar mit dem heutigen Abheften von Akten in einem Aktenordner. Der rechts angeklebte Papyrus enthält in seinen 21 Zeilen die Dokumentierung über eine nicht bezahlte Pacht. Er weist weder Datum noch eine Ortsangabe auf. Eine Frau ist nach dem Tod ihres Mannes in die Pacht eingetreten. Allerdings hat sie weder Pacht noch die öffentlichen Abgaben geleistet. Der Verpächter hat daraufhin den Meridarchen (ein Verwaltungsbeamter mit Zuständigkeit für einen Kreis) beauftragt, die ausstehende Pacht einzutreiben. Dieser jedoch ist der Bitte bisher nicht gefolgt. Daraufhin reicht der Verpächter mit der vorliegenden Eingabe die erneute Bitte an den Meridarchen ein, die ausstehende Pacht einzutreiben.
Unser Fokus liegt jedoch bei dem linken Papyrus. Bei diesem Text handelt es sich um eine fragmentarische Anzeige. Er umfasst 22 Zeilen in griechischer Schrift und stammt aus der Mitte des ersten Jahrhunderts vor Christus. Der Inhalt des Textes dreht sich um einen Mord, der bei den Behörden angezeigt wird. Aufgegeben wurde die Anzeige von den Geschwistern des Ermordeten.
Der Ermordete war am Tag des Geschehens zu einer Verabredung aufgebrochen, sollte aber, wie es mit den Geschwistern vereinbart war, am gleichen Tag wieder zurückkommen. Als dies nicht geschah, begann man ihn zu suchen, wobei man seine zerstückelte Leiche auf einem Weg zwischen den Dörfern Tebetny und Kaine fand. Diese lagen im Herakleopolites, einem antiken Bezirk südlich von Kairo und östlich des Nils. Nach dem Fund der Leiche wurde ebenfalls festgestellt, dass dem Verstorbenen sein Besitz, bestehend aus 100 Silberdrachmen und einem Esel, geraubt wurde. Ausgehend von diesen Ereignissen setzen die Geschwister des Verstorbenen die uns heute bekannte Anzeige auf. In dieser schildern sie nicht nur die Ereignisse, sondern bitten auch darum, den Täter ausfindig zu machen und zu bestrafen.
Leider wissen wir nicht, ob die Täter dieses scheußlichen Verbrechens gefunden und bestraft wurden. Weitere Dokumente zu diesem Mord haben sich nicht erhalten. Wir wissen aber dank des vorliegenden Papyrus, dass die Behörden die Anzeige aufgenommen und verarbeitet haben. Darauf verweisen der rote Stempelabdruck und das Zusammenkleben unterschiedlicher Dokumente. Auch das Schicksal des geraubten Esels bleibt unklar.