T.Berl.Möller 125 (ÄM 11843)
Es war ein antiker ägyptischer Brauch, Mumien mit einem kleinen Schild zu versehen, das Auskunft über den Verstorbenen gab. Für einen Christen würde man ein solches Mumienschild zunächst nicht erwarten. Doch haben sich aus dem spätantiken Ägypten einige Exemplare erhalten. Ein solcher Beleg ist auch das hier vorgestellte Mumienschild.
Mumienschilder sind kleine Holztäfelchen mit mindestens einem Loch, durch das eine Schnur zum Befestigen des Etiketts an der Mumie gezogen werden konnte. Hauptzweck der Mumienschilder war die Identifizierung der einbalsamierten Leichen. So nannten diese in Griechisch und/oder Demotisch beschrifteten Holztäfelchen den Namen des Verstorbenen und gewöhnlich auch die Namen der Eltern und des Großvaters. Häufig folgte dann eine Altersangabe des Verstorbenen. Gelegentlich wurde auch der Sterbetag und eine Herkunft genannt. Manchmal erfahren wir auch aus diesen meist sehr kurzen Texten sogar etwas über den Beruf des Verstorbenen. Viele Mumienschilder beinhalteten zudem Frachtanweisungen für die Mumie, die Auskunft über Kosten, Absende- und Bestimmungsorte und Details des Transports gaben. Die meisten demotischen Mumienschilder tragen außerdem religiöse Formeln, die auch auf Grabstelen zu finden sind, z. B. die Anrufung an die Ba-„Seele“, die dauerhaft lebendig sein möge. Die Mumienschilder stellten somit eine Art Ersatz für einen Grabstein dar, der für die meisten Menschen zu teuer gewesen wäre. Sie gehörten ausschließlich Verstorbenen der Unterschicht.
Solche Holztäfelchen an Mumien anzubinden, ist eine Sitte, die spätestens ab dem 1. Jh. n. Chr. in Ägypten auftrat und auch in den folgenden Jahrhunderten beliebt blieb. Das hier vorgestellte Mumienschild gehört zu den spätesten Belegen dieser Texte und wird in das 4. Jh. n. Chr. datiert. Es wurde in der Nekropole von Achmim, dem antiken Panos Polis, gefunden und kam 1894 in die Berliner Sammlung.
Wie die allermeisten Mumienschilder hat auch dieses Exemplar ein Querformat. Ebenso typisch sind die Kürze des Textes und die fast nur auf die essentiellen Angaben beschränkten Informationen zum Verstorbenen. In ordentlicher, aber etwas ungelenker Schrift werden der Name des Verstorbenen, der Name seinen Vater und der Name seines Großvaters mitgeteilt: „(Mumie) des Psentheus, (Sohn) des Apollonios (und Enkel) des Patses“. Auffällig ist, dass der Verstorbene einen ägyptischen Namen besitzt, sein Vater einen griechischen Namen und sein Großvater wiederum einen sehr seltenen ägyptischen Namen. Auch das aus den ineinander geschriebenen griechischen Buchstaben Chi und Rho zusammengesetzte Christusmonogramm am Ende des Textes ist bemerkenswert und in dieser Form erst im 4. Jh. n. Chr. gebräuchlich. Es weist den Verstorbenen als Christen aus.
Dieses Mumienetikett ist somit ein Beispiel für das Fortleben heidnischer Traditionen wie der altägyptischen Bestattungsriten im Christentum, das gerade im römischen Ägypten schon erfolgreiche Fortschritte gemacht und die heidnische Religion zurückgedrängt hatte, bevor es vom römischen Kaiser Konstantin am Beginn des 4. Jh. n. Chr. zur Staatsreligion erhoben wurde. Aus dieser Umbruchszeit stammt auch dieses Mumienschild.
Dieses Mumienetikett eines Christen war in der Sonderausstellung „Achmim – Ägyptens vergessene Stadt“ zu sehen.