SB I 3447 (ÄM 13353)
Ein Grabstein mit Anweisungen für den Transport des Toten? Das ist heute undenkbar. Im römischen Ägypten wurden jedoch anstelle von Grabsteinen häufig hölzerne Mumienetiketten verwendet, die an die Mumie angebracht waren, bevor sie zum Bestattungsort transportiert wurde. Manchmal enthielt dieses Schild auch Anweisungen für den Transport wie auf dem hier vorgestellten Mumientäfelchen mit griechischer Beschriftung.
Es war ein antiker ägyptischer Brauch, Mumien mit einem kleinen hölzernen Schild zu versehen, das Auskunft über den Verstorbenen gab. Solche Holztäfelchen an Mumien anzubinden, ist eine Sitte, die spätestens ab dem 1. Jh. n. Chr. in Ägypten auftrat und auch in den folgenden Jahrhunderten beliebt blieb. Sie haben mindestens ein Loch, durch das eine Schnur zum Befestigen des Etiketts an der Mumie gezogen werden konnte.
Hauptzweck der Mumienschilder war die Identifizierung der einbalsamierten Leichen. So nannten sie den Namen des Verstorbenen und gewöhnlich auch die Namen der Eltern und des Großvaters. Häufig folgte dann eine Altersangabe des Verstorbenen. Gelegentlich wurden auch der Sterbetag und eine Herkunft genannt. Manchmal erfahren wir aus diesen meist sehr kurzen Texten sogar etwas über den Beruf des Verstorbenen. Viele Mumienschilder beinhalteten zudem Frachtanweisungen für die Mumie, die Auskunft über Kosten, Absende- und Bestimmungsorte und Details des Transports gaben. Die meisten demotischen Mumienschilder tragen außerdem religiöse Formeln, die auch auf Grabstelen zu finden sind, z. B. die Anrufung an die Ba-„Seele“, die dauerhaft lebendig sein möge. Die Mumienschilder stellten somit eine Art Ersatz für einen Grabstein dar, der für die meisten Menschen zu teuer gewesen wäre. Sie gehörten ausschließlich Verstorbenen der Unterschicht.
Wie viele andere Mumienschilder hat dieses besondere Exemplar die Form einer einseitigen tabula ansata, d.h. die linke Seite läuft in einem Henkel aus, der das Loch für die Schnur enthält, die rechte Seite ist gerade abgeschlossen. Eine Besonderheit ist aber die Zeichnung auf dem Mumientäfelchen. Eine weitere einseitige tabula ansata wurde mit roter Tinte bzw. Farbe auf das Täfelchen gezeichnet. Ihr Henkel reicht in den Henkel der hölzernen tabula ansata hinein. Das Loch wurde vermutlich erst später gebohrt, da es den roten Strich teilweise zerstört.
Diese gezeichnete tabula ansata dient als Rahmen für den Namen des Verstorbenen, Hierakapollon, der in drei Zeilen in das Holz eingeschnitzt wurde. Dabei achtete der Schreiber auf die durch den roten Rahmen vorgegebene Länge der Zeilen, was dazu führte, dass der letzte Buchstabe des Namens allein in der dritten Zeile steht. Die einzelnen Buchstaben waren ursprünglich rot gefüllt, wovon sich wenige Spuren an den Schnitträndern und in den Vertiefungen des letzten Buchstabens der ersten Zeile erhalten haben.
Unterhalb und rechts des roten Rahmens fügte man insgesamt vier Zeilen in schwarzer Tinte hinzu, deren Buchstaben nicht in das Holz eingeschnitten wurden. Da sie im Gegensatz zum Namen des Verstorbenen in kursiver griechischer Schrift geschrieben wurden, lassen sie sich zeitlich gut in das 2. – 3. Jh. n. Chr. einordnen. Diese Zeilen enthalten in sehr kurzer Form Anweisungen, wie mit der Mumie des Hierakapollon umzugehen sei. Dabei steht unter dem Rahmen, dass die Mumie in den Gau Panopolites gebracht werden soll. Rechts wird angegeben, dass sie dem Leichenbestatter Sekes auszuhändigen sei. Sein Name und seine Berufsbezeichnung wurden an zwei Stellen von demselben Schreiber korrigiert.
Dieses Mumienetikett mit Transportanweisung war in der Sonderausstellung „Achmim – Ägyptens vergessene Stadt“ zu sehen.