BGU VI 1297 (P. 13999)
Dieser Privatbrief eines gewissen Zenon ist Teil des größten Archivs aus dem ptolemäischen Ägypten. Doch wer steckt hinter den vielen Namen, worum geht es in diesem Brief und wo liegen die in diesem Brief genannten Orte?
Der Brief wurde im Frühjahr 1912 von Carl Schmidt für die Berliner Papyrussammlung gekauft. Gefunden wurde er wahrscheinlich in einer Ausgrabungsstätte in der Nähe des heutigen Umm el-Baragat, dem antiken Tebtynis. Dieser Ort liegt südwestlich von Kairo in der Oase Faijum, welche in der Antike Arsinoites hieß und in drei Teile unterteilt war. Im östlichen Teil, der Herakleidu Meris, befand sich der Ort Philadelpheia und im südlichen Teil, der Polemonos Meris, das antike Tebtynis.
Das Papyrus ist beidseitig beschrieben. Auf der Vorderseite, dem Rekto, steht der Text des Briefes, auf der Rückseite, dem Verso, die Adresse, die auch sichtbar blieb, nachdem der Brief zusammengefaltet wurde. Der Brief ist bis auf einige wenige Stellen recht gut erhalten. Die Schrift Zenons ist streng stilisiert und sicher und zeigt einen geübten, professionellen Schreiber.
Zenon wurde um 285 v.Chr. in Kaunos, einer Stadt im Südosten des antiken Kleinasien, geboren. Später kam er nach Ägypten und stieg dort in der Mitte des 3. Jh.v.Chr. zu einem wohlhabenden und einflussreichen Geschäftsmann auf. Zunächst war er Privatsekretär des Dioiketen (Finanzministers) Apollonios. Später wurde er Verwalter des Anwesens desselben Apollonios in Philadelpheia im Arsinoites. Dort wurde auch sein Archiv gefunden, von dem noch über 1800 Texte wie Briefe, Petitionen und Listen, aber auch Rezepte, Verträge und literarische Texte erhalten sind. In diesem Kontext entstand auch der hier vorzustellende Brief, den Zenon am 16. November 248 v.Chr. schrieb, wie das Datum am Ende des Briefes verrät.
Im vorliegenden Brief schreibt Zenon an einen gewissen Phanias. Zuerst grüßt er Phanias, hofft, dass es diesem gut geht und sagt, dass es ihm selbst gut gehe. Danach bittet er ihn, einem Reiter die Erlaubnis zu geben, seinen Posten zu verlassen. Der Name des Reiters ist leider nicht mehr vollständig erhalten. Lediglich das Ende –achos ist noch zu lesen. Zenon erklärt nun, warum dieser Reiter diese Erlaubnis benötigt. Nikandros, der Vater des Reiters, sei verhaftet worden. Der Grund wird nicht genannt, doch ist anzunehmen, dass Nikandros finanzielle Schwierigkeiten hatte. Der Sohn will nun nach Alexandreia segeln, um sich dort beim Dioiketen Apollonios für seinen Vater einzusetzen und um dessen Freilassung zu bitten.
Der Reiter, von dem in diesem Brief geredet wird, gehörte zu der Gruppe griechischer Soldaten, denen vom Staat ein Stück Land, ein Kleros, zugewiesen wurde. Das sollte sie einerseits versorgen und diente zudem auch der Kultivierung großer bis dahin nicht genutzter Flächen, insbesondere im Arsinoites. Andererseits mussten diese Soldaten weiterhin als militärische Reserve zur Verfügung stehen. Aus dem Brief geht nun hervor, dass man als Inhaber eines solchen Kleros offenbar verpflichtet war, anwesend zu sein. Aus anderen Dokumenten dieser Zeit wissen wir auch, dass eine längere Abwesenheit durchaus mit Strafen geahndet werden konnte, z.B. der Einziehung von Teilen des Kleros. Der genannte Reiter wendet sich in seiner Not nun an Zenon, den er für so einflussreich hält, dass seine Unterstützung bei Phanias sehr hilfreich für die Genehmigung der Abwesenheit ist.
Phanias und Zenon scheinen sich gut zu kennen. Aus anderen Briefen des Archivs wird deutlich, dass sie sogar enge Freunde sind. Zudem erfahren wir aus weiteren Dokumenten, dass Phanias das Amt des Schreibers der Reiter innehatte und somit umfangreiche Kompetenzen und Einfluss im Arsinoites und darüber hinaus besaß. So war er nicht nur für die Musterung und Vereidigung der Soldaten und der Pferde zuständig, sondern beaufsichtigte die ordentliche Bewirtschaftung der zugewiesenen Landflächen und deren Vermessung. Dazu gehörte auch, mögliche Abwesenheiten zu genehmigen.
Wie bei den meisten Briefen lässt sich auch dieser Brief des Zenon an Phanias nur im Kontext der anderen Briefe richtig verstehen, da viele Informationen dem Schreiber und dem Adressaten bekannt waren und daher nicht noch einmal genannt werden mussten. Für uns sind diese Informationen allerdings wichtig, um den Brief richtig zu verstehen. Insofern haben wir Glück, dass von Archiv des Zenon so viele Texte erhalten sind. Trotzdem wissen wir leider nicht, ob der in diesem Brief genannte Reiter die Erlaubnis bekam, nach Alexandria zu segeln, um sich für seinen Vater einzusetzen.