SB XVIII 14043 (P. 21712)
Hilfe in der Ehekrise? Das suchte man sich im antiken Ägypten unter anderem bei den Göttern, die man mit Orakelfragen um Hilfe bat. Ein schönes und fast vollständiges Beispiel einer solchen Orakelfrage in griechischer Sprache bietet der hier vorgestellte Papyrus.
Gefunden wurde er in den Ruinen des antiken Soknopaiu Nesos, des heutigen Dime am Nordufer des Birket Qarun in der Faijum-Oase. Aus diesem Ort stammt fast die Hälfte aller heute bekannten griechischen Orakelfragen aus Ägypten. Zusammen mit anderen Orakelfragen wurde dieser Papyrus in den Ruinen eines Hauses nahe der Tempelmauern gefunden. Das berichtet Friedrich Zucker, der Leiter der Ausgrabungen in Dime im Jahr 1909, in seinem Tagebuch. Nach Berlin kam der Papyrus zusammen mit den anderen Funden in einer Blechschachtel mit der Aufschrift „Kom von Dime, 4.3.09“.
Mit der Orakelfrage auf diesem einseitig beschrifteten Papyrus sucht ein gewisser Serenion bei den Göttern Hilfe für eine Situation, die vielleicht ein Ehestreit war. Serenion fragt nämlich, ob seine Frau Ammonus nicht wieder zu ihm zurückkehren wird, sondern er sich aufmachen muss, damit sie kommt. Das klingt auf den ersten Blick kompliziert, da Serenion viel einfacher hätte fragen können, ob seine Frau zu ihm zurückkehrt oder er sich aufmachen muss, damit sie kommt. Der Grund dafür liegt in der besonderen Form der Orakelfragen, die auch hier vorliegt. Es handelt sich nämlich um so genannte Ticketorakel, die nur Entscheidungsfragen erlaubten, die mit ja oder nein beantwortet werden können. Die Antwort auf die Frage bestand aber nicht in einem verbalen Ja oder Nein. Stattdessen erhielt der Fragende den Papyrus zurück, der die richtige Frage enthielt. Eine entsprechende Aufforderung an die angerufenen Götter findet sich am Ende solcher Orakelfragen. Die positive oder negative Entscheidung der Orakelfrage musste also schon in der Formulierung der Frage enthalten sein. Das bedeutet, dass jede Frage einmal positiv und einmal negativ formuliert werden musste. Die Formulierung, auf die die Entscheidung fiel, erhielt der Fragende zurück.
Auch Serenion musste also seine Frage einmal positiv und einmal negativ formulieren. Erhalten hat sich im vorliegenden Text die negative Version. Auch Serenion fordert am Ende unseres Textes die Götter auf, ihm diesen Papyrus zurück zu geben, wenn die Frage der Entscheidung entsprach. Bei den Göttern, die er anruft, handelt es sich um Soknopaios und den mit ihm in seinem Tempel gemeinsam verehrten Göttern, die namentlich nicht genannt werden. Soknopaios ist der Hauptgott und Namensgeber des Ortes Soknopaiu Nesos, das Insel des Soknopaios bedeutet. Da die Orakelfrage zusammen mit anderen Orakelfragen in der nähe der Tempelmauern gefunden wurde, kann man annehmen, dass Serenion die positive Version seiner Frage zurückbekommen hatte. Das Orakel hatte also offenbart, dass Ammonus freiwillig zu Serenion zurückkommt.
Über die Hintergründe dieser Orakelfrage kann man allerdings nur spekulieren. Sicher ist, dass Ammonus ihren Mann verlassen hatte und er nun bei den Göttern um Informationen über ihre Rückkehr bat. Es ist möglich, dass die beiden Ehepartner einen Streit hatten, in dessen Folge Ammonus das Haus ihres Ehemannes verlassen hat. Sicher ist das allerdings nicht, da auch andere Erklärungen möglich sind. Ebenso ist unsicher, wo sich Ammonus aufhält. Vielleicht ging sie zu ihrer Familie zurück. Die Formulierung der Orakelfrage legt aber nahe, dass Serenion wusste, wo seine Ehefrau ist, da er sie holen würde, wenn sie nicht freiwillig zu ihm zurückkehrt. Da wir keine weiteren Informationen über dieses Ehepaar besitzen, wissen wir leider nicht, wie diese Geschichte ausgegangen ist.
Die Orakelanfragen an Götter boten Hilfe in Entscheidungssituationen, die die Betroffenen wohl überforderten. Die auf diese Weise behandelten Themen sind breit gestreut. Am häufigsten finden sich Orakelfragen zu Krankheiten oder zum Privatleben, wie im hier vorgestellten Fall.