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Egoismus, Unterschlagung, Betrug und göttliche Strafe sind die zentralen Themen des hier vorgestellten Textfragmentes. Mit dieser teils heute noch topaktuellen Problematik mussten sich die Menschen schon vor mehr als 2.000 Jahren beschäftigen. Bei dem vorliegenden Ausschnitt der Acta Apostolorum des Lukas handelt es sich zudem um eine der ältesten heute noch auf Pergament erhaltenen Schriften des Neuen Testaments.
Die Herkunft des Pergaments und des darauf erhaltenen griechischen Textes, der wahrscheinlich am Ende des 2. oder Anfang des 3. Jahrhunderts geschrieben wurde, ist unbekannt. Das Pergamentblatt ist auf beiden Seiten mit je einer Kolumne Text beschrieben, allerdings ist heute nicht mehr rekonstruierbar, wer den Text einst niederschrieb. Die sorgfältige Form der Schrift lässt jedoch vermuten, dass es sich um einen professionellen Schreiber handelte.
Durch die oben auf den beiden Seiten des Blattes noch erkennbaren Seitenzahlen (15 /16) kann angenommen werden, dass der Kodex, aus dem dieses Blatt stammt, nur die Apostelgeschichte enthielt und nicht zusätzlich noch das Evangelium des Lukas, wie es sonst oft üblich ist. Die Zeilenanzahl und -länge auf den beiden erhaltenen Seiten ermöglichen Rückschlüsse auf den ehemaligen Umfang des Kodexes. Da der vollständige Text der Acta Apostolorum bekannt ist und beide Blätter mit je 32 Zeilen beschrieben wurden, war der vollständige Kodex einst vermutlich ca. 72 Seiten lang.
Der in der Ausstellung sichtbare Teil der Acta Apostolorum umfasst die Abschnitte 5,3–12. In diesen Zeilen wird ein Teil der Geschichte um das Ehepaar Ananias und Sapphira erzählt. Die Geschichte beginnt eigentlich schon früher, so dass der Anfang auf dem vorliegenden Pergamentfragment nicht enthalten ist.
In der Geschichte verkaufen Ananias und Sapphira ein Grundstück, dessen Erlös sie den Aposteln spenden wollen. Sie entscheiden sich jedoch einen Teil dieses Erlöses zu behalten. Unser Fragment beginnt die Erzählung, nachdem Ananias den Aposteln den unvollständigen Erlös übergeben hat. Petrus ergreift nun sofort das Wort und fragt Ananias, warum er einen Teil des Erlöses unterschlagen hat. Er wirft ihm vor, dass er nicht die Menschen betrogen habe, sondern Gott. Daraufhin fällt Ananias vor Entsetzen tot um und wird von den Jüngern hinausgetragen und begraben. Nach ungefähr drei Stunden erscheint Sapphira, ohne zu wissen, was mit ihrem Mann passiert ist. Petrus fragt sie sogleich, ob sie das Grundstück zu dem von Ananias übergebenen Betrag verkauft habe, was sie bejaht. Daraufhin eröffnet ihr Petrus, dass ihr Mann bereits aufgrund des Betrugs an Gott verstorben sei und begraben wurde und dass es nun auch ihr Schicksal sei bei ihrem Mann bestattet zu werden. Sapphira verstirbt daraufhin ebenfalls und wird neben Ananias begraben. Woraufhin alle in der Gemeinde und diejenigen, die diese Geschichte hörten, von großer Furcht ergriffen wurden.
Heutzutage fällt es uns gegebenenfalls schwer nachzuvollziehen, warum das Vergehen von Ananias und Sapphira so schwerwiegende Folgen für die beiden hatte. Die Passage wird dahingehend gedeutet, dass der Verkauf des gesamten Besitzes und die Spende der vollen Summe des Erlöses eine Art Eintrittsritual in die Urgemeinde war. Um Teil der Gemeinde zu werden, würden somit jegliche privaten Besitzansprüche aufgegeben und an die Gemeinde übertragen werden. Das Vergehen von Ananias und Sapphira bestände dann darin, Besitzansprüche auf einen Teil des Erlöses aus dem Verkauf zu erheben und damit gleichzeitig zu versuchen, Petrus und den heiligen Geist zu täuschen. Ob die Strafe nun angemessen war oder nicht, bleibt dahingestellt. Die in der Ausstellung sichtbare Seite endet mit einer Zusammenfassung, in der von nicht näher bestimmten Wundern und Zeichen die Rede ist, die durch die Apostel durchgeführt wurden.