Christliche Hymnen

P. 16595

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Musik ohne Noten? Kaum vorstellbar. Aber auch als Noten noch nicht entwickelt waren, wollten sich die Menschen musikalische Anweisungen aufschreiben können. Ein Beispiel dafür sind die Vokalverdopplungen, die sich unter anderem in diesem auf Griechisch verfassten Text mit Inhalten befinden, die vom Neuen und alten Testament inspiriert wurden.

Das Papyrusfragment wurde auf Rekto und Verso mit je acht Zeilen beschriftet, allerdings ist weder der Verfasser noch die Herkunft bekannt. Man kann aber mit Sicherheit sagen, dass das Stück anhand der Buchstabenformen in das 6.-7. Jhd. n. Christus zu datieren ist. Leider ist der Zustand des Fragments nicht sehr gut. Es ist nur fragmentarisch erhalten und stark durchlöchert. Die Grammatik sowie die Orthografie des Textes sind sehr mangelhaft. Der Papyrus ist wahrscheinlich ein Einzelstück. Der Hymnus ist in einer geläufigen, nach rechts geneigten, kräftigen Schrift geschrieben und einzelne Buchstaben wurden betont.

Der Text besteht aus zwei Hymnen. Auf der Vorderseite wird die Taufe Jesu im Jordan beschrieben, mit dem Evangelium des Johannes als Vorlage für die Reihenfolge der Wörter. Laut der Bibel wurde die Taufe Jesu von Johannes dem Täufer im Fluss Jordan durchgeführt. Nach der Taufe soll der Geist Gottes wie eine Taube vom Himmel heruntergekommen sein und zu ihnen gesprochen haben. Die letzten Zeilen sind nicht mehr vorhanden, bzw. noch stärker durchlöchert als der Rest des Papyrusfragments, sodass nur spekuliert werden kann, ob der Text den biblischen Narrativ fortführt, und wenn ja, dann vermutlich in einer sehr frei angepassten Variante.

Auf der Rückseite des Papyrus steht, nach alttestamentlicher Vorlage, ein Triumphlied der Prophetin Mirjam nach der Zerstörung der pharaonischen Armee und der Rettung der Israeliten durch das Rote Meer. Dieser Text weicht noch mehr von dem in der Bibel ab als der lesbare Teil der anderen Seite. Die Prophetin Mirjam war eine bedeutende Persönlichkeit des Alten Testaments, die beim Auszug aus Ägypten nach der Durchquerung des Schilfmeeres den Freudentanz und den Gesang der Frauen anführte. Sie soll die Schwester von Moses gewesen sein. Der Text soll das Triumphlied darstellen, welches die Prophetin nach der erfolgreichen Flucht der Israeliten aus Ägypten gesungen hat. Die Flucht war nur erfolgreich, weil Mirjams Bruder Moses das rote Meer teilte und die Armee des Pharaos ertrinken ließ.

Die Texte stehen höchstwahrscheinlich in Bezug zueinander, wobei in der Reihenfolge vermutlich erst Rekto, also die Taufe Jesu, und dann das Triumphlied, Verso, kommen. Es könnte durchaus möglich sein, dass die beiden Texte Teile einer längeren Hymne sind. Sicher kann aber auf jeden Fall gesagt werden, dass die Texte gesungen oder wenigstens melodisch bzw. rhythmisch vorgetragen wurden, da doppelte Vokale als Vorlage für einen Gesang vorkommen. So eine Vokalverdopplung gibt an, wo mehrere Noten auf eine Silbe kommen. Der Singende, vermutlich ein Geistlicher, wusste die Tonfolge wahrscheinlich auswendig und die Verdopplungen dienten lediglich als Hinweis für ihn. Dieses Stück ist eines der wenigen, in dem musikalische Vokalverdopplungen vorkommen, daher ist es besonders schade, dass es so schlecht erhalten ist.

Heute ist das Stück im Erdgeschoss des Neuen Museums zu finden.

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