BGU VII 1568 (P. 11473 R)
Wer etwas ausleiht, möchte es auch wieder erhalten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ausleihe angeordnet wurde oder freiwillig geschah. Einen kleinen Einblick in einen solchen Fall ermöglicht der Text auf diesem Papyrus: eine verloren Eselin soll wiedergefunden werden.
Der Papyrus wurde im Winter 1906/1907 auf der Grabung von Friedrich Zucker in Gharabet el-Gerza im Nordosten des Faijûm, einer Großoase südwestlich von Kairo, gefunden. Gharabet el-Gerza ist der heutige Name für die Ruinen des antiken Philadelpheia, einer Gründung des zweiten ptolemäischen Königs Ptolemaios II. Philadelphos. Der Papyrus stammt allerdings nicht aus dieser frühen Zeit des Ortes, sondern wurde erst mehrere Jahrhunderte später geschrieben, als Ägypten ein Teil des Römischen Reiches war. Darauf verweist auch die Datumsformel in den letzten beiden Zeilen des Textes, die dem 14. Juni des Jahres 261 n.Chr. entspricht.
Der griechische Text auf der Vorderseite (Rekto) dieses Papyrus ist ein Gesuch. Dieses Gesuch wurde in der Formeines Briefes geschrieben und enthält am Anfang und am Ende die typischen Grußformeln antiker Briefe. In diesem Gesuch erbaten Beamte des Arsinoites, wie das Faijûm in der Antike genannt wurde, von den Beamten des Nachbarbezirks Neilopolites die Rückgabe einer Eselin. Bei den Beamten handelte es sich um die sogenannten Eirenarchen, die die Aufgaben einer Polizei wahrnahmen. Die Eselin war für staatliche Leistungen angefordert worden. Diese werden zwar nicht beschrieben, doch wird es sich höchstwahrscheinlich um Aufgaben gehandelt haben, die vermutlich im Zusammenhang mit dem staatlichen Getreidetransport standen.
Der Getreidetransport war eine zentrale Aufgabe des Staates und eng mit dem Steuersystem verknüpft. In zentralen Getreidespeichern wurde das Korn, das von den Bauern eingetrieben wurde, gelagert und weiter verteilt. Das gelagerte Getreide wurde als Saatgut-Darlehen an Bauern verteilt oder zur Versorgung der Städte Ägyptens genutzt. Der Transport erfolgte oft auf dem Landweg, da die Getreidespeicher nicht immer an schiffbaren Kanälen lagen. Esel waren für Landtransporte am geeignetsten und zudem relativ günstig.
In einem solchen Zusammenhang ist offenbar auch die Eselin aus Philadelpheia eingezogen und verwendet worden, die das Thema dieses Textes ist. Nach dem Ende der Arbeiten hätte sie eigentlich direkt zu seinem Eigentümer nach Philadelpheia im Faijûm zurückgebracht werden sollen. Das hat aber offenbar nicht geklappt. Stattdessen wurde sie nach dem Ende der Tätigkeiten für den Staat irrtümlich mit Tieren des Nachbarbezirkes Neilopolites zusammengetrieben und in diesen Landesteil gebracht.
Nun wurde mit diesem Gesuch darum gebeten, den momentanen Halter der Eselin bzw. den Transportleiter, der für den fehlerhaften Rücktransport der Tiere zuständig war, zu ermitteln und die Eselin dem Eigentümer zurückzugegeben. Dieser sei bereits auf dem Weg in den Nachbarbezirk, in dem das Tier sich befinden soll, und werde von einem Polizisten begleitet. Die Eselin solle ihm schließlich gegen eine Empfangsbestätigung übergeben werden. Ob die Eselin gefunden wurde und wieder nach Philadelpheia kam, ist nicht bekannt, weil weitere Texte zu diesem Vorgang nicht mehr erhalten sind.
Der Haupttext wurde offenbar von einem Schreiber oder zumindest von einer anderen Person als den Absendern, da die Grüße in der drittletzten Zeile und die Datierungsformel in den letzten beiden Zeilen von einer anderen Hand geschrieben wurden und man vermuten kann, dass einer der Absender der Schreiber dieser Zeilen war.