Gestellungsbürgschaft

BGU I 255 (P. 7027)

Scan

„Ich bürge für ihn!“ ist eine Aussage, die nicht nur heute, sondern auch in der Antike mit einem aufwendigen Rechtsverfahren verknüpft ist. Hierbei handelt es sich um ein vertraglich gesichertes Zusammenspiel von Schuldner, Gläubiger und Bürgen in jeder erdenklichen Lebenslage.

Dieser, in kunstvollen Kursiven der byzantinischen Zeit verfasste Papyrus wurde vermutlich im Faijûm, einer großen Oase südlich von Kairo gefunden. Obgleich man den Fundort nicht eindeutig bestimmen kann, ist der Ausstellungsort der Urkunde mit Memphis in der zweiten Zeile eindeutig belegt. 1892 kam er aus der Sammlung des Daninos in die Berliner Papyrussammlung. Das Stück ist nur einseitig auf der Vorderseite, dem Rekto, mit 9 Zeilen beschrieben. Die Rückseite, das Verso, ist unbeschriftet. Die linke Seite ist stark beschädigt, wodurch die Zeilenanfänge große Lücken im Text aufweisen. Auf der rechten Seite ist eine lückenlose Überlieferung gewährleistet.

Es handelt sich bei dieser unvollständigen Urkunde um eine Gestellungsbürgschaft in Form eines Briefes. Das Ausstellungsdatum nimmt zwei Zeilen ein und ist in seiner Ausführlichkeit für die damaligen Verhältnisse nicht ungewöhnlich. Umgerechnet ergibt sich der 15. Mai 599 n. Chr. und fällt somit in die Regentschaft des oströmischen Kaisers Maurikios, dessen Regierungszeit durch Kriege auf dem Balkan geprägt war. Beim Ausstellungsort handelt es sich um die Stadt Memphis, die zu diesem Zeitpunkt ihre ruhmreichen Tage schon seit Jahrhunderten hinter sich gelassen hatte, sich aber immer noch als Handelsstadt behauptete.

Die drei Aussteller, ein Schuster mit dem Namen Aurelios Ioannes, der Matrose Menas und ein Obstgärtner unbekannten Namens verbürgen sich für einen Mann namens Aurelios. Dieser soll auf unbestimmte Zeit Freigang aus dem öffentlichen Gefängnis erhalten, muss allerdings am Wohnort verbleiben, den Anweisungen des Adressaten Folge leisten und kann auf Bestellung wieder in das Gefängnis eingezogen werden. Der Name des Empfängers ist aufgrund einer Lücke im Text nicht mehr erkennbar, doch handelt es sich bei diesem um den Sohn eines Kommandeurs und steht wahrscheinlich stellvertretend für eine Behörde.

Spekulationsspielraum bietet die Vereinbarung im Fall der Nichtbestellung. Eine Bürgschaft von mehreren Personen übernehmen zu lassen, war in der Antike nichts Ungewöhnliches und ist immer wieder auch in anderen Papyri belegt. Allerdings ist es hier besonders wichtig, die Regelungen in Bezug auf eine mögliche Kautionssumme genauestens festzuhalten. Aufgrund dieser Notwendigkeit und der erkennbaren Wörter in der letzten Zeile befanden sich diese Informationen im verlorenen Teil des Textes. Da wir zudem noch die eigentliche Ursache für den Aufenthalt im öffentlichen Gefängnis oder Schuldturm nicht kennen, ist eine Klassifizierung in Straf- oder Zivilverfahren nicht möglich.

Besonders spannend machen diesen Papyrus die Variationen an Lesungsmöglichkeiten. Der größte Unterschied findet sich in der Frage nach der Anzahl der Schuldner. Während sich die Forschung in Richtung eines Schuldners bewegt, steht auch die Möglichkeit von zweien im Raum. Bei dieser Lesungsart sticht allerdings ins Auge, dass die Schuldner mit weniger und anderen Attributen versehen wären als die Bürgen und der Adressat. Vergleicht man die Stellung der Attribute letzterer, ergibt sich folgendes Muster: Name, Beruf, Name des Vaters, Wohnort. Bei den beiden Schuldnern wären die Berufe weggelassen, der Name des Vaters nur einmal angegeben, aber dafür die Spitznamen notiert worden. Geht man von derselben Stellung der Attribute aller Beteiligten aus, denn kann es sich nur im eine Person handelt, die allerdings ausführlicher als der Rest erfasst ist. Aurelios, genannt Apakouthios, Beruf durch Lücke im Text unkenntlich, Vater Menas, Spitzname Koukkouma, Wohnort Memphis.

Trotz der vielen Lücken im Text vermittelt diese Gestellungsbürgschaft einen guten Einblick in das Rechtswesen des byzantinischen Ägyptens. Papyri mit Bürgschaften stellen zwar keine Einzelfälle dar, liefern aber eine besondere Sichtweise auf das Leben in der jeweiligen Zeit.

Dieser Beitrag wurde unter Stück des Monats abgelegt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Bitte hinterlassen Sie uns eine Nachricht:

* erforderlich

*