SB VI 9545 Nr. 33 (P. 12065)
Alles wird kontrolliert! Für fast jede Tätigkeit benötigt man eine Genehmigung oder muss eine Abgabe zahlen. So ist es auch im Fall des hier vorgestellten Gewerbescheins, der auf einer wiederverwendeten Keramikscherbe geschrieben wurde. Dieses rötliche Ostrakon, wie beschriftete Keramikscherben heißen, wurde bei der Grabung von Otto Rubensohn in Elephantine in Oberägypten im Winter 1906/07 gefunden und kam kurz darauf in die Berliner Papyrussammlung.
Bei diesem Ostrakon handelt es sich um ein selten erhaltenes Exemplar eines Gewerbescheins für eine Hetäre, der erlaubt wird, ihrem Gewerbe an einem Tag nachzugehen. Dieser Tag wird zwei Mal im Text genannt und lässt sich in unser heutiges Datierungssystem umrechnen. Es handelt sich um den 23. September des Jahres 142 n.Chr. Die doppelte Nennung des Tagesdatums zeigt an, dass die Erlaubnis genau an dem Tag ausgestellt wurde, an dem sie auch gültig war. Das ist auch für die anderen erhaltenen Gewerbescheine für Hetären charakteristisch. Vergleichbar ist ein solcher Gewerbeschein also mit einer Arbeitserlaubnis für einen bestimmten Tag.
Für eine solche Gewerbeerlaubnis musste sicherlich auch eine Gebühr gezahlt werden. Das kann zwar zunächst nur vermutet werden, weil der vorliegende Text eigentlich keine Quittung für die Zahlung einer solchen Gebühr ist und zudem auch keinen Geldbetrag nennt. Doch bietet der Text genügend Anhaltspunkte, aus denen man eine solche Zahlung erschließen kann. Am Beginn dieses kurzen Textes erfahren wir, für wen dieser Gewerbeschein gilt und wer diese Genehmigung erteilt hat. Ausgestellt wurde die Erlaubnis für eine Frau mit dem sehr seltenen Namen Thinmareine. Leider erfahren wir keine weiteren Details über diese Person außer das Gewerbe, für das sie in diesem Text eine eintägige Erlaubnis bekommt. Genehmigt wird das Gewerbe durch Ammonios und seine Kollegen, die in diesem Text als Pächter der Prostitutionssteuer bezeichnet werden. Schon in der Ptolemäerzeit wurden viele Steuern und Abgaben, über die der Staat seine Einnahmen erlangte, an Personen verpachtet, die anstelle des Staates nun das Recht hatten, diese Steuern einzuziehen und sie schließlich an den Staat weiterzugeben. In der römischen Zeit, aus der auch dieser Text stammt, nimmt die Verpachtung von Steuern ab. In unserem Text ist nun mit Beschreibung der Aussteller dieses Gewerbescheins als Pächter der Prostitutionssteuer ein Hinweis gegeben, dass Thinmareine vermutlich eine Gebühr bezahlt hat, um diese Genehmigung zu bekommen, die indirekt auch als Quittung gegolten haben dürfte. In der letzten Zeile des Textes wird die Erlaubnis noch einmal von einer anderen Person bestätigt. Ein Brasidios Valens, dessen Name allerdings nicht sicher gelesen werden kann, schreibt hier offenbar eigenhändig, da sich die Schrift dieser Zeile deutlich von den anderen Zeilen unterscheidet.
Über den Kontext dieses und vergleichbarer Gewerbescheine für Hetären ist viel spekuliert worden. Aufgrund der Genehmigung, das Gewerbe nur an einem einzigen Tag ausüben zu dürfen, kann man vermuten, dass sie möglicherweise im Kontext von Festlichkeiten erteilt wurden. Doch lassen die angegeben Tage noch keine eindeutige Zuweisung zu.