Zahlenübung

SB XXVI 16522 (P. 12750)

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Die meisten Fundstücke aus der Antike sind recht alltägliche Objekte. Das trifft auch auf die in Ägypten gefundenen dokumentarischen Texte zu, die zu einem großen Teil Quittungen, Steuererklärungen oder Listen sind und Einblicke in das alltägliche Leben der damaligen Zeit erlauben. Mitunter finden sich darunter auch Übungen oder Merklisten wie die hier vorgestellte Zahlenübung auf einer Tonscherbe.

Erworben wurde die Tonscherbe durch den Koptologen Carl Schmidt, der vor allem durch seine wichtige Rolle beim Erwerb von koptischen Manuskripten für die Berliner Papyrussammlung bekannt ist. Unter den weniger bekannten Anschaffungen befand sich auch diese beschriebene Tonscherbe (Ostrakon). Aufgrund der Schrift, die Elemente sowohl einer Buchhand als auch einer Kursive enthält, lässt sich das Ostrakon in das 6. Jh. n.Chr. datieren, also mitten in die byzantinische Zeit, welche in Ägypten im 4. Jh. n.Chr. mit der Zweiteilung des Römischen Reichs begann. Ägypten gehörte nun zum Ostreich Byzanz mit der Hauptstadt Konstantinopel.

Das Ostrakon ist nur noch fragmentarisch erhalten und ist aus zwei Fragmenten zusammengesetzt. Auf die Außenseite wurde eine altgriechische Zahlenübung geschrieben, von der sich die Aufzählung der Zahlen 38 bis 52 erhalten. Die Zahlen sind nicht nur als Ziffernfolge abgebildet, sondern auch jeweils ihrem korrespondierenden Zahlwort gegenübergestellt. Auffällig ist, dass der Schreiber bei den Zahlworten der 40er immer eine verkürzte Schreibweise verwendet, die nicht der orthographisch korrekten Version entspricht. Solche Rechtschreibfehler und Schreibvarianten begegnen in den antiken Texten aus Ägypten häufig und sind wenig verwunderlich. Man schrieb die Wörter einfach so, wie man sie aussprach.

Für die Ziffern bediente sich der Schreiber dieser Liste der sogenannten milesischen Zahlzeichen. Diese Schreibweise unterscheidet sich von dem heute in der westlichen Welt verwendeten System in dem Sinne, dass Ziffern nicht durch eigene Symbole, sondern durch Buchstaben des griechischen Alphabets dargestellt wurden. So stand α für 1, θ für 9 und ο für 70. Es gab jedoch für gewisse Zahlen auch Sonderzeichen, wie zum Beispiel für die 6, welche mit ϛ (Stigma) dargestellt wurde. Die Zehner und Hunderter erhielten jeweils eigene Buchstaben und Zeichen. Um Zahlen darzustellen, welche größer als 9, aber keine Zehner oder Hunderter waren, wurden an die der Zahl am nächsten stehenden, kleineren Zehner, Hunderter, etc., die gewünschten Einer gehängt. Die 23 wurde also als κ für 20 und γ für 3 geschrieben.

Über den Kontext, in dem diese Zahlenliste geschrieben wurde, kann man nur spekulieren. Vorstellbar ist jedoch, sie als eine orthographische Übungsaufgabe eines Schülers oder eine Merkliste in der Verwaltung oder im Handel zu interpretieren.

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