Medizin und Philosophie vereint?

BKT IX 42 (P. 21141)

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Vernunft im Kopf, Tapferkeit im Herzen, Begierde in der Leber – der berühmte antike Arzt Galen versucht, eine Brücke zwischen hippokratischer Medizin und platonischer Philosophie zu schlagen. In der Berliner Papyrussammlung hat sich ein kleines Fragment aus diesem großen Werk erhalten.

Dieses kleine Papyrusfragment mit Resten von vier Zeilen auf der Vorderseite und fünf Zeilen auf der Rückseite gehört zum unteren Rand eines Kodexblattes von dem sich weitere Fragmente in der Bayerischen Staatsbibliothek in München erhalten haben. Das Berliner Fragment lässt sich direkt an das Münchener Fragment anpassen. Aufgrund des recht unterschiedlichen Erhaltungszustands der beiden Fragmente kann man annehmen, dass sie schon in der Antike getrennt wurden. Ursprünglich hatte es auf beiden Seiten einen Schriftspiegel, dessen Höhe doppelt so groß wie die Breite war.

Das Kodexblatt enthält eine Abschrift von Galens Schrift „Über die Lehrmeinungen des Hippokrates und des Platon“ (Kapitel 88, 29–31 und 90, 20–22 auf dem Berliner Fragment). Der aus dem kleinasiatischen Pergamon stammende Arzt Galen verfasste dieses Werk in neun Bücher zwischen 162 und 176 n. Chr. in Rom. Aufgrund seiner eigenen Bemerkungen zu diesem Werk in anderen Schriften wissen wir, dass Galen die ersten sechs Bücher zwischen 162 und 166 n. Chr. in Rom im Auftrag des ehemaligen Konsuls und späteren Statthalters der römischen Provinz Syria Palaestina Titus Flavius Boethus, der großes Interesse an seinen medizinischen Forschungen hatte. Galen begleitete ihn in seine Provinz. Nach seiner Rückkehr im Jahre 169 n. Chr. verfasste er die letzten drei Bücher dieses Werkes.

Interessant ist nun, das die Abschrift auf den Papyrusfragmenten in Berlin und München, die im mittelägyptischen Eschmunen, dem antiken Hermupolis, gefunden wurde, aufgrund der Schrift in die erste Hälfte des 3. Jh. n. Chr. datiert werden kann. Damit ist sie eine der ältesten Zeugnisse eines Werkes von Galen und liefert somit wertvolle Hinweise auf die ursprüngliche Gestalt des Textes.

Als Anhänger der Lehren des großen und berühmten griechischen Arztes Hippokrates von Kos setzt sich Galen in diesem Werk mit dessen Lehren auseinander und vergleicht sie mit den Vorstellungen über die Beschaffenheit der Seele des griechischen Philosophen Platon. Dabei geht es Galen gar nicht darum Philosophie und Medizin gegeneinander auszuspielen und die Richtigkeit der einen Fachrichtung zu beweisen. Vielmehr zeigt er, dass er den Aussagen des Philosophen und des Arztes in allen Punkten zustimmt. Sein Ziel ist der Nachweis, dass die Aussagen des Arztes Hippokrates und des Philosophen Platon übereinstimmen können. Er versucht, die recht abstrakten Meinungen Platons ganz konkret in die menschliche Physiologie einzupassen, die bei ihm auf den Vorstellungen des Hippokrates aufbaut.

So wundert es dann auch nicht, dass wir in den wenigen Resten, die sich auf den Papyrusfragmenten erhalten haben, Galens Beschreibung der Arterien in den unteren Bereichen des Körpers und der Beine lesen können, auch wenn die Verbindung zu den metaphysischen Vorstellungen Platons unklar bleiben muss, weil sich diese Textpassage nicht mehr erhalten hat.

Galen behauptet in seinen anderen Schriften, dass seine Werke zu seinen Lebzeiten bereits in vielen Provinzen des römischen Reiches gelesen wurden. Das mag eine Übertreibung und Bestätigung seines eigenen Stolzes sein. Die Fragmente in Berlin und München stammen allerdings aus dem römischen Hermupolis in Mittelägypten und aus einer Zeit kurz nach dem Tod des Arztes. Sie mögen somit vielleicht die Aussagen Galens nicht unbedingt bestätigen. Sie zeige allerdings, dass seine Werke durchaus nicht nur in den großen kulturellen Zentren der römischen Welt wie Rom, Alexandria etc. rezipiert wurden, sondern viel weiter auch im Hinterland Verbreitung fanden.

Dieser Papyrus mit einem Ausschnitt aus Galens Werk war in der Ausstellung „Au temps de Galien. Un médicin grec dans l’empire romain“ im Musée royal de Mariemont in Morlanwelz in Belgien zu sehen.

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